Joachim Castella
I.M.A.G.E.
Institut f�r Medienanalyse und Gestalterkennung
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Die Logik des Subjekts und das Subjekt der Logik

Abri� einer Fehlorientierung und Umri� ihrer Korrektur.

Im Druck

Das Defizit: Die Hohlform der Logik.

Eben auf der Schwelle dieses Jahrhunderts leitet Edmund Husserl seine Logischen Untersuchungen mit einem Zitat aus der Einleitung der gro�en Logik John St. Mill's ein. Mill beklagt darin ein halbes Jahrhundert zuvor die disparate Vielfalt einer Disziplin, die wie keine andere von der Diskrepanz durchzogen sei zwischen dem stets und stereotyp formulierten Anspruch, eine Einheit zu bilden - und der methodologischen Wirklichkeit. Husserl setzt die eigene Einleitung mit einer wesentlich unver�nderten Diagnose fort, genauer, er konstatiert die Verschlimmerung der Lage und schlie�t sich notgedrungen dem Seufzer des Engl�nders an, um in den folgenden Kapiteln neben Mill die gesamte Logik-Elite f�r die zu beklagende Zersplitterung verantwortlich zu machen. 2222 Jahre nach Aristoteles also und 113 Jahre nach der Kantischen Stillstandserkl�rung der Aristotelischen Erfindung sieht der bis dahin unbekannte j�dische Dozent sich gen�tigt, mit dem ganzen Gewicht von rund tausend Seiten noch einmal die disziplin�ren Irrungen und Wirrungen zur Disziplin zu rufen - der Einheit der Logik wegen.

Kaum dreizehn Jahre sp�ter, gewi� aber neunundzwanzig, wird die minuti�se und akribische Suche nach der Einheit der Logik Husserl selbst in die Annalen der Philosophiehistorie als weiteren Sch�pfergeist eingetragen haben, der die breitgef�cherte Kunstlehre des Denkens erneut um eine eigene Kunstfertigkeit bereichert hat: die ph�nomenologische Logik. [1] -

Wir verlassen das Anekdotische und rechtfertigen diese Erinnerung mit dem Hinweis, da� die Logik offensichtlich in Schwierigkeiten ger�t, wenn sie den eigenen Universalit�tsanspruch tats�chlich ernst nimmt. Darum n�mlich geht es: Die Logik begreift sich als universal, weil sie als reine Logik formale und abstraktive Theorie des Denkens schlechthin sein will; die Applikationsf�higkeit und Legislativkraft "der Wissenschaft der Verstandesregeln �berhaupt, d. i. der Logik", reicht als "Kanon des Verstandes und der Vernunft" bis an die R�nder des Kosmischen, "aber nur in Ansehung des Formalen ihres Gebrauchs, der Inhalt mag sein, welcher er wolle". [2] So entrichtet die Logik f�r die Maximierung und Totalisierung ihrer Extension den Tribut der vollst�ndigen Ausblendung ihres materialen Gehaltes, und alles k�nnte sein Bewenden haben, wenn nicht der Anspruch der formalen Universalit�t bereits eine verborgene Aporie implizierte: Wenn die Logik als reine Formenlehre ihre Materie in der Austauschbarkeit egalisiert, wenn sie allumfassende Form f�r beliebig substituierbaren Inhalt sein will, dann darf die universale Einheitsform keine qualitative Unterscheidung ihrer Inhalte kennen; sie m�gen sein, welche sie wollen, in jedem Fall homogenisiert das Reinheitsgebot der Form sie in die substitutionstechnisch notwendige, materiale Irrelevanz des blo�en, indifferenten und frei variablen Inhalts. Der Kanon des Verstandes, die logisch kanonisierte Vernunft erscheint als Verm�gen, als dynamis und potentia, ist der auffangbereite K�bel, der seit Frege dann als unges�ttigte Funktion auf die Besetzung ihrer Leerstellen durch wechselnde Argumente harrt.

Doch gerade hier, wo ihn die moderne Logik in die Klarheit des symbolischen Kalk�ls transferiert, unterminiert sich der universale Anspruch am deutlichsten. Mit Beobachtern operierende Systemtheoretiker w�rden von blinden Flecken sprechen, wenn die �bersetzung des logischen Programms in die Formelsprache des reinen Denkens, wie Frege seine Begriffsschrift untertitelt, die Kollision des weitest m�glich gesteckten Rahmens sinnf�llig in der Unm�glichkeit offenbart, da� Argumente je etwas sein k�nnen, als eben Argumente. Die logische Materie, die Inhalte treten ausschlie�lich als Argumente auf, die dazu dienen, die erg�nzungsbed�rftigen Leerstellen der Funktion, der Form zu komplettieren; ihr Definitionsbereich - sie m�gen sein, welche sie wollen "ist das All des Denk- und Vorstellbaren, das bei geeigneter Einsetzung aus offenen Aussageformen wahre Urteile werden l��t. Argumente dabei sind logische Gegenst�nde, und "Gegenstand ist alles, was nicht Funktion ist, dessen Ausdruck also keine leere Stelle mit sich f�hrt.", schreibt Frege die Unterscheidung eindeutig fest, [3] die auch dadurch keine Aufweichung erf�hrt, da� Funktionen mitunter an die Stelle der Argumente r�cken k�nnen. Ganz im Gegenteil er�ffnet das placet, das Frege den Funktionen ausspricht, auch Argument f�r Funktionen h�herer Ordnung sein zu d�rfen, den Reigen der Funktionen zweiter und n-ter Stufe, [4] und die zugrunde liegende Ordnung/Unterscheidung von Funktion und Argument bleibt im damit angelegten infiniten Regress unangetastet. Denn: "Dies gilt allgemein: das Zeichen einer Funktion ist unges�ttigt, bedarf einer Erg�nzung durch ein Zahlzeichen, das wir dann Argumentzeichen nennen", [5] und dessen wesentliche Supplement-Funktion durch die Grundsatzentscheidung definiert wird, "da� das Argument nicht mit zur Funktion geh�rt". [6] R�cken Funktionen hier an die Stelle der Argumente, so sind sie unwiderruflich Argumente, und ausgeschlossen damit ist, da� Funktionen als Funktionen Argument werden, da� Formen selbst und zwar als Formen zum Inhalt und Thema von Formen avancieren, da� also das Regelwerk selbst sich zum Gegenstand der eigenen Regelung macht. Hier f�hrt die Reinheit der Formalit�t, mit der die Logik ihre Universalit�t begr�ndet, zu dem definitiven Verdikt, da� die als Verm�gen, dynamis, konzipierte Form des Denkens je als energeia, actus, als realer Vollzug des Denkens thematisiert wird, da� in der Logik das aktuale In-formieren der Form zugleich als Inhalt erscheint, ohne seine logische Rolle, Form zu sein, aufgeben zu m�ssen. "Diese Trennung des Urteilens von dem wor�ber geurteilt wird, erscheint unumg�nglich" [7] und verunm�glicht so, da� das prozessierende Subjekt der Logik selbst je eine objektive Gestalt annehmen kann, die seine Subjektivit�t nicht unterminierte.

Wird solches trotz allem versucht, starten etwa Kant und Husserl den Versuch, auch die subjektiven Modi am Urteil einzufangen, so ist das Ergebnis in beiden F�llen ein �berborden der Logik. Transzendentallogik bei dem einen und transzendentale Logik, resp. Ph�nomenologie bei dem anderen geb�rden sich gerade nicht mehr als klassische, formale Logik, wenn sie den blind spot der Logik, das Subjekt, zu erhellen suchen. Hier, wo die Logik es unternimmt, nicht nur die konstituierenden Faktoren am Urteil, das Urteilen als subjektive Leistung zu erfassen, vielmehr auch diese Leistung selbst in Ansehung und Abh�ngigkeit der materialen Gehalte noch zu differenzieren, transformiert sich Logik in Erkenntnistheorie und offenbart im Umkehrschlu� die defizit�re Verfassung der Logik als eine zwangsl�ufige: Die Ausblendung der materialen Aspekte am Logischen, das Selbstverst�ndnis der Logik als rein formale Theorie, involviert unmittelbar das Durchstreichen des logischen Subjekts; die dem Subjekt reservierte Form - "denn nicht der Stein liegt in der Seele, sondern seine Form" [8] - ist als potentiell allumfassende dazu verurteilt, das All des Denkbaren gerade ohne den Proze� des Formatierungsaktes der Welt und ohne den Ausgangspunkt dieses Prozesses zu denken; Form und Subjekt sind der Logik allein regulative Ideen, die wohl jeden logischen Akt m�ssen begleiten k�nnen, die sich aber der Selbstthematisierung von vornherein entziehen.

Hier verbinden sich Form und Subjekt zu dem einen Pol, dem Inhalt und Objekt als zwar notwendige Korrelate gegen�berstehen, doch haben philosophische Gegens�tze ihre blo� antagonistische Unschuld sp�testens verloren, seit Derrida uns erinnert, da� hinter metaphysischen Oppositionen stets auch das Herrschaftsgef�ge einer Hierarchie verborgen ist. [9] Objekt und Inhalt rangieren so in ihrer Austauschbarkeit als das Uneigentliche, Nicht-Wesentliche an einer Strukturtheorie, die das Material der regelgeleiteten Manipulation allein zum Zweck der Demonstration, Explikation, Verifikation, Falsifikation ihrer formalen Schlu�weisen instrumentalisiert, und die dies kann, weil die logische Thematisierung die Gegenst�nde gerade nicht auf ihr Wesentliches hin befragt: Abstraktion, d.h. das Aussondern und Selektieren einzelner, f�r die Logifizierung relevanter Merkmale ger�t zum Urgestus des Logikers, der sich so die Pr�dikabilit�t seiner Urteilsform sicherstellt. Hypokeimenon und kategorumenon, das Zugrundliegende und das, was dar�ber auszusagen ist, figurieren von Anbeginn die Apophantik, und obgleich hypokeimenon noch mit subiectum �bersetzt wird, ist die ohnehin d�nne Spur des Subjekts, die Aristoteles noch im Urteil kennt, lange schon getilgt. Aristoteles, und mit ihm die Tradition, die ihm folgt, zollt der ontologischen Pr�ferenz, Wesen und Substanz als Tr�ger akzidenteller Eigenschaften zu denken, den Tribut, der die metaphysische Dominanz des hypokeimenon in der logischen Betonung des Satz-Subjekts als einem selbst�ndigen, zugrundeliegenden und einheitsstiftenden Fundament f�r darauf aufsitzende Pr�dikate wiederkehren l��t. Doch die ontologische, erkenntnistheoretische und bis heute g�ltige Umorientierung am Beginn der Moderne verlagert die Dominanz im logischen Satz auf das Pr�dikat: das Wesen wird nicht mehr auf sein (aus der Natur) rezeptiv erfahrbares Was-sein befragt, sondern sein Wie-sein als attribuierende und pradizierende Erkenntnisleistung des Vernunftverm�gens r�ckt in den Vordergrund, und das Satz-Subjekt ger�t in "eine abh�ngige Rolle gegen�ber dem Pr�dikat, das als grammatischer Repr�sentant des Begriffs das Gegenstands-Subjekt in seinen Dienst nimmt, um sich zu erg�nzen und zu vervollst�ndigen." [10] Hier dann haben sich die Verh�ltnisse dahin reguliert, da� die Satz-Subjekte eben diese Attribuierung nur noch als grammatikalische Qualit�t verdienen, denn sie sind nicht mehr autonome Zugrundeliegende, sondern verf�gbare Gegenst�nde, Objekte des Souver�ns der logischen Form, der ihnen - Kant sei es gedankt - die Kategorien seinem transzendentalen Gusto gem�� testiert. Vollg�ltig instantiiert damit ist die Apohantik als Ort der Objektivation, dem nichts Selbst�ndiges mehr zu Grunde liegt. Vollst�ndig vergessen jedoch ist der alte Nexus, der bis Leibniz noch ein Bewu�tsein daf�r offen hielt, da� die Substrate der Logik und Ontologie koinzidieren, da� Logik und Ontologie nur medial verschiedene Zug�nge zum Seienden bedeuten, das sich in seiner ontologisch-metaphysischen Seinsweise als Inhalt gerade nur so aufschlie�t, wie die Form logischer Quantifizierung und Qualifizierung dies determiniert.

Es ist die von Leibniz vollzogene Scheidung des Inhalts von seiner Form, der die neuzeitliche Logik durchaus ihren "Sonnenaufgang" verdankt, [11] einen lichtvollen Progre�, dem allerdings lange Schatten folgen, wenn die rein formalen Regeln nunmehr "so formuliert werden m�ssen, da� man bei ihrer Anwendung an die inhaltliche Bedeutung der Ausdr�cke, auf die sie angewendet werden, �berhaupt nicht mehr zu denken braucht." [12] Logik und Mathematik analogisieren sich, und g�nzlich verdunkelt wird so die M�glichkeit, da� die formale Logik in formalisierter Form, da� die Logistik also, wie die symbolische Logik auf dem Genfer Philosophenkongre� 1904 schlie�lich von Couturat getauft wird, als mathematisches Lavieren im calculus ratiocinator die Geschlossenheit des rein syntaktischen Ableitungssystems je in Richtung einer philosophischen Relevanz verl��t. Kein Inhalt tr�bt l�nger die reine Formalit�t symbolischer Logik, ein Opfer, das hinreichend mit dem Aufstieg der Logistik belohnt wird, wenn sie in der Grundlagenkrise - obgleich nicht unumstritten - die Geometrie als apriorische Letztbegr�ndung der Mathematik, mithin der Rationalit�t schlechthin abl�st.

Der Kompensationsversuch von innen: Mehr Inhalt in die alte Form.

Bleibt die solcherart erfolgsverw�hnte Logistik als Abstraktion der Abstraktion im deduktiven Formalismus beschlossen, dann hat sie sich bereits weit von ihrer Schwester, der klassischen formalen Logik entfernt, die sich mit Macht gegen den drohenden Terrain-Verlust str�ubt. Die Kuzformel: "Logiker denken. Logistiker rechnen." [13] zeigt schlagwortartig die Distanz an, die innerhalb der Disziplin zwischen formalen und formalistischen Vertretern herrscht, und die sich um ein gutes St�ck vergr��ern l��t, wenn die ganze Aufgeregtheit dieser methodologischen Streitigkeit noch mit dem Anspruch konfrontiert wird, den wir von Husserl bereits als das Einklagen der subjektiven und materialen Seite am logischen Urteil kennen. "Die Lehre von dem Etwas oder den Etwas �berhaupt, d. i. von Gegenst�nden �berhaupt als Substraten m�glicher pr�dikativer Sinne, die sollen in fortgehender Pr�dikation einstimmig urteilbar sein k�nnen, ist die formale Ontologie. Sie ist nur eine korrelative Betrachtungsweise der Lehre von den einstimmigen Urteilen �berhaupt und den Formen, in denen sie sich zu konsequenten einstimmigen Urteilssystemen zusammenschlie�en. Eine voll umfassend gedachte apophantische Logik ist von selbst eine formale Ontologie, und umgekehrt eine voll ausgef�hrte formale Ontologie von selbst eine formale Apophantik." [14] Logik und Ontologie als duales System - Husserl entl��t die Logik nicht aus ihrer inhaltlichen Verantwortung, aus der sich schon die formalen Logiker im Stile Arnauds, Erdmanns, Sigwarts, daran ankn�pfend Jacoby und Freytag, zu stehlen suchen; von den syntaktischen Logistikern ganz zu schweigen. Das Motiv Husserls, auf der inhaltlichen F�llung der Logik zu beharren, ist dabei das direkte Ergebnis seines Kampfes wider den Psychologismus: Wenn der Psychologismus die triadische Schnittmenge von Logik - Denken - Psychologie bildet, in Verkennung der "Unterschiede zwischen Idealgesetz und Realgesetz, zwischen normierender Regelung und kausaler Regelung, zwischen logischer und realer Notwendigkeit, zwischen logischem Grund und Realgrund", in Verkennung also der Differenz "zwischen idealen und realen Objekten", [15] sowie der apriorischen Geltung und kontingenten Anwendung der logischen Gesetze, [16] dann setzt die anti-psychologistische Distinktion Husserls, "da� unter subjektiven Bedingungen der M�glichkeit hier nicht etwa zu verstehen sind reale Bedingungen [...], sondern ideale Bedingungen, die in der Form der Subjektivit�t �berhaupt und in deren Beziehung zur Erkenntnis wurzeln", [17] ihn unter Zwang, nicht nur die idealen Objekte der Logik als Inhalte vorrangig zu behandeln, sondern auch den subjektiven Modus ihrer logischen Thematisierung als nicht-psychologistischen zu dechiffrieren. Das Abwehrgefecht fordert zu positiver Konkretion, und die noetisch-noematische Doublette, als welche diese simultane Einheit von Form und Inhalt, von Proze� und Produkt in Abh�ngigkeit vom begrifflich-urteilenden Erkennen des Subjekts dann innerhalb der konstituierenden Ph�nomenologie re�ssiert, erw�chst somit aus der scheinbar paradoxen Notwendigkeit, die Reinheit der Logik vor dem "ungesunden psychologischen Fette" [18] gerade auf jenem Weg zu bewahren, der ihr als reiner Formenlehre erstmals die Genuinit�t ihres Inhaltes sichert.

Erscheint dieser aber in der klassischen Theorie aufgrund der Form-Inhalt-Dichotomie notwendig als Supplement der Form, dann ist es von hier aus nicht mehr weit zu der Einsicht, da� die klassische Logik als formale nur die eine Seite des logischen Spektrums abdeckt, da� ihr gegen�ber eine subjektive Erg�nzung einzufordern ist, "welche das Subjektive der Erkenntnis �berhaupt und der Erkenntnis aller Gegenstands- und Wissenschaftsgebiete systematisch erforscht." [19] Das Ziel ist mithin eine "universale Wissenschaft von diesem Bewu�tseinsm��igen und einer Subjektivit�t �berhaupt, die und insofern sie jederlei 'Objektives', objektiven Sinn und objektive Wahrheit jeder Art, im Erkenntnisleben gestaltet, [...] also thematisch alles m�gliche Subjektive des Erkennens aller Wissenschaft in �hnlicher Weise [umspannt], wie eine Logik in ihren Begriffen und Gesetzen thematisch alles m�gliche Objektive aller Wissenschaft umspannt. Anders ausgedr�ckt, eine Logik als rationale Wissenschaft von der Objektivit�t �berhaupt [...] h�tte als notwendiges Gegenst�ck eine Logik des Erkennens, eine Wissenschaft, und auch vielleicht eine rationale Wissenschaft von der Erkenntnissubjektivit�t �berhaupt [...]." [20]

Zwar wird Husserls Ringen um eine rationale Wissenschaft der Erkenntnis-Subjektivit�t ihn von der Logik entfernen, doch zeitigt der von ihm etablierte Anspruch einer Verkn�pfung der inhaltlichen und formalen Aspekte seine Konsequenzen in der mathematischen Logik, um sich dort so weit zu etablieren, da� die symbolische Logik schlie�lich indirekt und nach rund sechzig Jahren Anlaufzeit auch dem zweiten Husserlschen Postulat zumindest ansatzweise Rechnung tragen wird: der notwendigen Korrelation von materialem Gehalt und subjektiver Thematik.

Denn mathematische Logik ersch�pft sich in der Mitte dieses Jahrhunderts schon �ber zwei Dezenien nicht mehr in reiner Syntax, auch wenn Freytag, Jacoby und Albrecht dies geflissentlich �bersehen. Am Beginn der 30er Jahre setzt mit Tarski vielmehr eine Entwicklung ein, von der die Logistik sich nicht zu unrecht den wesentlichen Ausbruch aus der Beliebigkeit der Interpretation ihrer Kalk�le erhofft. Dabei sind es die Logischen Untersuchungen, die in Polen produktiv rezipiert werden, konkret die Kriterien Husserls, mit denen er apriori die Substitution einfacher und zusammengesetzter Ausdr�cke gegen Unsinn und Widersinn zu entscheiden sucht: Die Bedeutungskategorien, d.h. eine Typik kategorialer Strukturen, die als Klassen diejenigen Elemente umfassen, deren freie Substitution rein syntaktisch keinen kontextuellen Widersinn produziert. [21] So entwickelt - unter Berufung auf Husserl - bereits Adjukiewicz gemeinsam mit Tarskis Doktorvater Lesniewski eine kategoriale Grammatik auf der typentheoretischen Stufung der Bedeutungskategorie in Grund- und Funktorenkategorie im Sinn der rein logischen Grammatik Husserls, [22] doch es bleibt Tarski vorbehalten, diesen Einflu� zur definitiven Ber�hmtheit zu modulieren, wenn er sowohl auf der Bedeutungskategorie seine semantische Kategorie aufbaut, wie seinen Wahrheitsbegriff in Anlehnung an den Erf�llbarkeitsbegriff Husserls formuliert. [23]

Sp�testens mit der deutschen Fassung vom Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen (1935) also verschafft sich eine langj�hrige Entwicklung die ihr geb�hrende �ffentlichkeit, und wenn die formalen Logiker in ihren Streitschriften dies bis in die 60er Jahre hinein mit keiner Silbe erw�hnen, dann scheint eine tiefe Bedrohung in der epochalen Arbeit des polnischen Logikers angelegt zu sein, mit der dieser die Semantik fest dem logischen Archiv inventarisiert. Und in der Tat vollzieht sich hier jener der Logistik angeblich verborgene Schritt zur inhaltlichen Relevanz, wenn nunmehr das Verh�ltnis von Designator und Designatum in metasprachlicher Relation distinguierbar wird. Bedeutung bei Frege, Sinn bei Husserl - gleichg�ltig welcher Terminologie man folgt, in jedem Fall ist das wesentliche Defizit der bis dahin rein ableitungstechnischen Kalk�le �berwunden, wenn die Logistik nun den verloren geglaubten Boden zur�ckerobert - dies mit Hilfe der vermeintlich sinnleeren Symbolik.

Wie weit aber, um an die eingangs gestellte Frage zu erinnern, wie weit nun leistet die grunds�tzliche M�glichkeit der Semantik, "da� wir f�r eine beliebige vorgegebene Sprache S imstande sind, in der zu S geh�rigen Metasprache M die semantischen Begriffe f�r S einzuf�hren", [24] den dringlichen Kompensationsakt, mit dem die Logik den Partikularismus ihrer maximalen Formalisierungsm�glichkeit mit dem pr�tendierten Universalismus zur Deckung bringen k�nnte? Anders: Orientiert die semantische Kapazit�tserweiterung der Logistik sich final an dem Maximalziel, ihren kalk�ltechnischen Beschreibungsrahmen f�r das beschreibende Subjekt zu �ffnen, oder l��t sich die Einbeziehung der Designator-Designatum-Relation eher als kausal determinierte Reaktion verstehen, mit deren Hilfe formale Insuffizienzen und technische Defizite aufgefangen werden sollen? Wir brauchen nicht in Spekulationen abzugleiten, das "Ereignis G�del" markiert eine unabweisbare Z�sur, die die grundlagentheoretischen Ans�tze des Russellschen Logizismus, den Formalismus Hilberts nicht weniger in die Schranken weist, als das Welt-Formalisierungs-Projekt Carnaps. Formal-logische Sachzw�nge also dr�ngen sich als motivationale Ausl�ser gewi� in gleichem Ma�e auf, wie die vision�re Teleonomie, dem ureigensten Anspruch der Logik, i.e. die Form des Denkens schlechthin abzubilden, ein St�ck weit n�her zu kommen.

Wie dem auch sei, im Ergebnis zumindest vollzieht die Semantik einen bedeutenden Schritt in Richtung einer auch inhaltlich reicheren Logik, und mit dem Ziel, Sinn und Bedeutung kalk�ltechnisch darzustellen, k�nnte ihr sogar der Transfer in die Linguistik offenstehen, um den Fregeschen Traum der Formelsprache des reinen Denkens zu erf�llen, die das Kontingenz-Regime des Wortes �ber den menschlichen Geist beendet. Doch ebenso, wie jede Grammatik die allgemeinen Regeln einer Sprache in expliziter Unabh�ngigkeit ihrer Sprecher kodifiziert, bleibt auch in der Bedeutungstheorie das Logik treibende Subjekt au�en vor, und die wahrheitswerttheoretische Semantik verfestigt mit ihrer durch und durch positivistischen Pr�supposition erneut jenes folgenschwere Vergessen, in dem die Logik den Grad ihrer formalen Objektivit�t genau in dem Ma�e gewinnt, wie das Subjekt sich ihm thematisch, als Inhalt entzieht. Weil der Inhalt f�r das Objekt reserviert ist, und zwar f�r ein supplement�res Objekt, dessen Einsetzbarkeit die s�ttigungsbed�rftige Funktion in keiner Weise affiziert, weil also vor der logischen Form alle Dinge gleich sind, darf der Logiker selbst auf keinen Fall als (dann notwendig egalisierter) Inhalt seiner Form erscheinen. Nichts w�rde ihn mehr unterscheiden von den Dingen, eine Differenz, derer er aber vital bedarf, um die Hoheit am logischen Proze� nicht einzub��en.

Der Kompensationsversuch von au�en: Neue Form und Onto-Logik.

Auf einem Umweg also f�hrt das Ausblenden der formal-ontologischen Was-Frage, mit Hilfe dessen sich das Subjekt aus der rezeptiven Passivit�t vor der Welt in die Kantische Produktivit�t des Wie-f�r-mich rettet, zu der Unm�glichkeit, da� das Ich seiner selbst je positiv ansichtig wird, da� es - ohne sich in die Objektivit�t zu homogenisieren - sich je als Gegenstand der eigenen Selbst-Logifizierung zugrunde legt. [25] Folgenschwer bricht in die Logik das Paradox des Logozentrismus ein, dessen Selbstgewi�heit und -sicherheit sich gerade auf einer Leerstelle errichtet, insofern das reibungslose Funktionieren seiner Rationalit�tsform von einem pr�existent und nicht hintergehbar angelegten Subjekt abh�ngt, das aber - um nicht in den Paralogismen der reinen Vernunft, resp. dem transzendentalen Schein zu straucheln - zugleich immaterielles, a-hyletisches, mithin transzendentales Subjekt zu sein hat. Wenn hier die unges�ttigte Funktion, das pr�dikable Wie des Seienden in Abh�ngigkeit vom Ich steht, wenn der Begriff immer schon subjektive Leistung ist, dann bliebe dem Ich, um zum Begriff seiner selbst zu kommen, nur die M�glichkeit, sich als Leistung der Leistung zu erfassen, als Begriff des Begriffs, als absoluter Begriff. Solches aber kollidiert mit der Form-Inhalt-Dichotomie, die sich als absolute Grenze definiert, und solches l��t diejenigen, die es dennoch versuchen, zu Outsidern des logischen Alltagsgesch�ftes werden. Hegel w�re hier zu nennen, dessen Logik sich unter Logikern kaum aus dem Ruche begrifflicher Sophistikation befreien kann, wenn im spekulativen Satz das denkende und sprechende Subjekt den Proze� seines eigenen Denkens und Sprechens als Proze�, Produkt und Objekt simultan vollzieht und beobachtet, wenn mehr noch im absoluten Begriff die Reflexion selbst zu sich kommt, an die das reflektierende Subjekt seinen Alleinvertretungsanspruch je schon abgetreten hat. Und wenn Gotthard G�nther seine Wurzeln eher in Hegel als in Kant schl�gt, dann erkl�rt dies nicht nur die ungebrochene Notwendigkeit zur situierenden Vermittlung, der sich auch dieser Text verdankt, dann indiziert dies vielmehr die grundlegend divergierende Zielsetzung, unter der G�nther von allem Anfang sein Nachdenken der Form des Denkens widmet: Es ist jener, der Hegel- und Logik-Orthodoxie gleicherma�en suspekte Optimismus, der hinter dem metaphysisch-spekulativ verbr�mten Logik-Konvolut Hegels die subtile Analyse sowohl der Bedingungen als auch der Mechanik erblicken m�chte, denen die Einschreibung f�r Subjektivit�t allererst zu folgen hat, es ist die Hoffnung, mit dieser strukturtheoretischen Inversion fernab von Anthropozentrik und Logozentrismus, der M�glichkeit zur Selbstobjektivation unter der doppelten Bedingung der Preisgabe des hypostasierten Subjekts einerseits und einer qualitativen Komplexion des Form-Begriffes andererseits zur formalen und formalisierbaren Realit�t zu verhelfen. Gerade dies sind die Grundz�ge einer neuen Theorie des Denkens, die G�nther aus der Logik Hegels elizitiert, um sie als Grundsatzprogramm seinem eigenen Werk zu installieren: Das Denken, das als wahrhaft universales nicht umhin kann, auch sich selbst zu begegnen, st��t unter den Ma�gaben des linearen, dualistischen Logozentrismus im Moment der R�ckkoppelung in die materiale Leere seines blinden Fleckes und offenbart diese Insuffizienz als den Mangel der Form; ebensowenig wie das Subjekt sich selbst befassen kann, ohne sich in sein metaphysisches Pendant, das Objekt, zu verwandeln, gelingt dies der homolog konzipierten Form, solange sie im absoluten Gegensatz zum Inhalt als homogen und unteilbar erscheint. Hier entschl�sselt sich die Aufgabenstellung, die das Subjekt als Subjekt zu sich bringen will, koinzident mit der Arbeit an der Form; die Hierarchien m�ssen dekonstruiert werden, es gilt die Einheit und Einzigkeit von Form und Subjekt zugleich und wechselweise zu disseminieren, und G�nthers Rekurs auf Hegel geht das Wagnis ein, mit der Entgrenzung der Objekt-Logik in eins die sie fundierende und von ihr abh�ngige Metaphysik zu transformieren. Denn G�nther ist nicht nur bereit, die Husserlsche Gleichung von Logik und formaler Ontologie zu unterschreiben, vielmehr radikalisiert er sie in einer Weise, die Husserl selbst zu gehen nicht mehr gewillt ist. Erst der Husserl-Sch�ler Heidegger wird mit G�nther darin �bereinkommen, da� eine intrinsische Reparatur hier nur Symptombehandlung sein kann, da� vielmehr das alte System insgesamt im Zuge einer konstruktiven Fundamentalkritik zu unterlaufen/�berh�hen ist. Rejektion, der dem Modell des dialektalen Dreischritt entwachsene Qualit�tsgewinn auf einer komplexeren Ebene, ist hier ma�gebender terminus technicus, denn der Abnabelungsproze� erfolgt mit zweifacher Sto�richtung: "Eine bestimmte Logik indiziert eine bestimmte Bewu�tseinslage. Will man von jener Bewu�tseinslage fort, so mu� man zuerst die Werkzeuge wegwerfen, deren sich das Denken auf der zu verwerfenden Stufe bedient." [26] Und umgekehrt: "Um einen neuen echten Formalismus an die Stelle des alten zu setzen, mu� man vorerst ein neues ontologisches Weltbild besitzen" [27]

So spielt G�nther mit hohem Risiko, denn mit Hegel Ernst zu machen, hei�t Ernst zu machen mit der Forderung nach einer neuen Form, nach einem qualitativ vollst�ndig neuen Formbegriff, der sich der alten Dichotomie zur G�nze entzieht, und der Glaube an die Transferm�glichkeit Hegelscher Geistphilosophie in die N�chternheit des Kalk�ls setzt ein nicht unbetr�chtliches Vertrauen in die eigenen Stifterqualit�ten voraus, kann dies doch nur in der simultanen Transformation von Logik und Ontologie, von Theorie der Form und Metaphysik gelingen. Die Charakteristik des G�ntherschen Denkweges also ist durchaus von einem mosaischen Aufbruch-Habitus getragen, denn obgleich sein Exodus in den Grundz�gen das unbetretene Land der neuen Form als notwendiges Postulat bereits vor Augen hat, ist der anf�ngliche Gang ein ungewisser, der um das totaliter aliter dessen wei�, was ihm der leitende Fluchtpunkt ist. [28]

Nicht ohne systematische Relevanz dabei ist der Zeitpunkt dieses Aufbruchs, liegt er, in historischen Ma�st�ben gemessen, nur einen Bruchteil vor dem Neuansatz Tarskis; er vollzieht sich leise und abseits vom Fackelzugtaumel des Jahres 1933, dessen verblendeter Feuereifer zuerst den polnischen, sp�ter auch den deutschen Logiker zu einem Exodus ganz anderer Art in die transatlantische Dependance des Pragmatismus f�hrt. Doch bliebe Biographisches dieser Art nur schilderndes Beiwerk, wenn nicht die Spezifik der beiden Logik-Konzepte dieser Transposition auf amerikanischen Boden ihre zunehmende Kontur verdankte, eine Tiefensch�rfe, die das je schon vorgezeichnete Auseinanderdriften in deutlichere Distanz �berf�hrt.

Denn da� G�nther eine in Syntax, Semantik und Pragmatik sich ausdifferenzierende Logik insgesamt als Klassische verhandeln kann, [29] der gegen�ber er seinen Ansatz - und dies nunmehr vor dem verifikationistisch ge�bten Auge des Pragmatismus - als transklassisch deklariert, ist ohne den Kontakt mit der amerikanischen Kampfansage an den Behaviorismus, i.e. die Kybernetik, kaum vorstellbar, wie umgekehrt die Kybernetik in dem Kontinental-Philosophen G�nther ihren profundesten Rechtsbeistand findet, so es darum geht, sie aus dem Ghetto blo�er Ingenieur-Fertigkeit in den transzendental-philosophischen Vorhof einer materialistischen Theorie des Geistes zu leiten. Diese der Katheder-Philosophie schwer nachvollziehbare R�ckkoppelung ist f�r das an den mehrfach geschlossenen Kreisen Hegelscher Systemik geschulte Denken G�nthers nicht nur augenscheinlich, vielmehr f�