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EINLEITUNG


Einleitungen werden immer am Schluß geschrieben. Einleitungen sind komprimiert, daher unverständlich und skizzieren das Destillat des Folgenden, weswegen sie besser Nachworte wären.

Dennoch gibt es ein Recht, sie vorweg zu stellen. Denn Einleitung darf nicht nur in dem Sinne verstanden werden, als daß ihr Zweck und ihre Bestimmung allein darin läge, dem vom jeweiligen Autor vorgestellten Buch, den Zugang zu eröffnen. Einen Zugang also in der Art des Eingangs, der als Schwelle sich nicht zu entscheiden weiß, gehört er zum Haus bereits, oder markiert er die letzten Bereiche eines Davor. Ein solcher Zugang führt somit direkt hinein, an ihm ist es, das was kommt, vorgreifend zu verdunkeln, damit das spätere es wieder ins Licht setzt.

Jedoch ist eine andere Art des Zugangs denkbar, ein Zugang, der nicht sogleich hineinspringt in die Immanenz des Textes, der vielmehr als Umgang von außen her das Kommende umschreitet und solcherart erst dem Blick einen Raum eröffnet, von dem aus und auf den hin sich das Gefüge von Perspektive und Objekt erstellt. Eine solche Einleitung kann dann und sollte dann den Sinn haben, den sich anbindenden Text in seinem konzeptionell-historischen, thematisch-kontextuellen und wirkrelevant-projektiven Rahmen zu verorten. Solcherart als Zugang verstanden, schafft sie die Transparenz für die großen Klammer, innerhalb derer das, was kommt, sich einzurichten hat. Sie bildet also den Anbindungspunkt für den Ariadne-Faden, den der Autor im Folgenden sich anschickt abzurollen.

Damit steht eine solche Einleitung zwangsläufig unter dem Risiko, Bereiche erwähnen und Themen verhandeln zu müssen, deren Durchsichtigkeit dem Leser an dieser Stelle nicht gegeben sein kann. Ist dies in der anderen und zumeist begegnenden Art von Einleitung auch der Fall, so findet sich der Unterschied, daß hier damit ein Prozeß der Distanzierung erreicht wird, der über das noch Unklare hinaus ja gerade dessen Ort zu bestimmen sucht, indem das Folgende in Differenz und Analogie zu Anderem gesetzt wird. Darin aber liegt die Möglichkeit, den Leser dahingehend auszustatten und zu sensibilisieren, im postumen Lesen des Haupttextes das dort Erhellte in seinen Einbindungsgrund - die Einleitung - zu erinnern. Das, was zuvor das unbekannte Mehr war, das sich am Anfang in einen Zusammenhang gestellt sah, jedoch als monolithisch-undurchdrungenes Gesamt, wird nun im Detail gekannt und kennt sich je schon aus in seinem Woher, Wohin, Wozu. Das vormals noch Kommende entfaltet sich nun und entfaltet damit einen Prozeß der Transformation, in dem das Andere, das eingangs seinen Grund darstellte, nun langsam seine Gestalt verändert, da es erst Gestalt annimmt. Denn was vormals als das Außen bekannt und geläufig war, erfährt durch die Verwebungen und Durchdringungen mit dem nun erkannten Innen eine Füllung, die verändernd neu schöpft. Das Außen, das Bekannte verfremdet sich unter dem Eindruck des Innen, es erscheint in neuem Licht und muß nun eigentlich erst bedacht werden. Bedacht werden aber muß und kann es nur von diesem Innen her, das im Moment abgeschritten wird. Solcherart beginnt sich im Verlauf des Durchgangs die anfangs starre Teilung von Innen und Außen zu verflüssigen, die vormals feste Basis wird brüchig, es ist nicht mehr deutlich, was Innen was Außen ist, und schließlich kehrt die Bestimmung sich um. Das Außen wird zum Innen, denn die Perspektive, die das zu bedenkende von einem bedachten her in den Blick nimmt, hat sich gewandelt. Das Außen wird zum Innen und das Vorher kehrt sich ins Nachher, denn das erstbedachte muß nun von dem neuen Stand her erneut und also nachher reflektiert werden.

Das Neubedenken aber macht nicht halt, wenn es sich aus dem einen in sein Gegenüber verlagert hat. Es macht nicht halt, weil es den Ursprung, aus dem es einmal ausgezogen ist, nicht mehr wiederfindet. Der Ursprung, das Außen, das jetzt ein Innen ist, hat seine Gestalt verändert, der Gang im Innen eigentlich hat es transformiert. Doch auch der volle Durchgang durch das Innen kehrt nicht mehr zu seinem Ausgang zurück, auch wenn der Umlauf sich einmal vollzogen hat, wenn das Außen wieder das Außen und das Innen wieder zum Innen geworden ist, hat der Ursprung durch die Kenntnis des Anderen seine vormalige Gestalt verloren. Der Ursprung, der dem Denken den Hinausgang nicht versagt, stellt sich selbst zur Disposition, ist unumgänglich dem Verfall preisgegeben.

Und auch das hier und jetzt und aktual geschriebene Wort mit seinem Anspruch ein meta der Einleitung selbst zu sein, muß sich damit abfinden, diesen hervorragenden Standpunkt verlassen zu müssen, wenn das letzte Wort des Textes gelesen ist. Dann nämlich wird es genau wie das übrige in den Wirbel gezogen, der die Absolutheit eines Standpunktes in die Relativität der anderen zieht, und in dem nichts und alles seinen festen Platz hat, je nach der gewählten Perspektive. Es wird das meta dieses Augenblicks nicht mehr geben, wenn es vom Innen her betrachtet wird, das dann ein Außen ist und es wird ein anderes meta sein, wenn der Kreis zur Gänze abgeschritten ist. Denn das hier Gesagte, will es zwar Grund des Folgenden sein, wird von diesem Nachher neu vermessen werden, es wird von dem Folgenden her bedacht werden und wird von diesem aus seinen Grund erhalten. Auf diesem Grund aber wird es als ein anderes stehen, als das, das es nun noch sein kann. Dieses Neue dann will wieder Grund sein und gründet neu ein Nachher, das ebenso ein anderes als sein erstes ist.

Innen und Außen, Vorher und Nachher verlieren ihren Sinn, wenn sie als feste Größen gehandelt werden, bekommen einen tieferen Gehalt aber in dem Augenblick, in dem erkannt wird, daß sie in wechselseitigem Gründen-Begründen stets aufeinander verwiesene Aspekte an einer Größe sind. Dies nicht allein dahingehend, daß es keinen Sinn macht von einem Innen zu reden, wenn es kein Außen gibt, weil sich Reflexionsbegriffe immer durch ihr Gegenteil definieren, vielmehr gilt es zu erkennen, daß Innen und Außen sich in dieser dialektischen Gründung gleichzeitig auch immer gegenseitig transformieren. D.h. der Zirkel allein reicht nicht aus, um als Metapher die Verknüpfung beider Pole zu fassen, da er immer nur das eine aus dem anderen hervorgehen läßt, endlos zwar aber ohne einen Qualitätswechsel oder -zuwachs. Genau das aber ist der Fall, das erste Außen ist nach dem Durchlauf des Innen von dem zweiten Außen verschieden, und ebenso findet sich ein verändertes Innen, wenn von außen her der Blick wieder zurückkehrt. So geht zwar im stetigen Wechsel das eine aus dem anderen hervor, jedoch ist jeder Schritt dieser Schöpfung der einer Permutation, womit das neu generierte nie die Basis seiner Schöpfung ist, sondern diese in sich schließend (Hegels aufheben") je übertrifft.

Stehen Innen und Außen, Vorher und Nachher somit in einem Verhältnis des gegen- und wechselseitigen Gründens, so ist damit die Frage nach Anfang oder Ende hinfällig. Denn dem Kreis ist es eigen, an beliebiger Stelle betreten werden zu können, ohne daß damit im Durchlaufen eine strukturelle Verschiebung der Abfolge entstünde. Anfang und Ende treten dann nicht mehr als lineare Grenzwerte auf, vor und hinter denen nichts zu erwarten wäre. Anfang und Ende bezeichnen nunmehr allein die Stelle des Einstiegs und also den Ort der ersten Wiederkehr. Anfang und Ende werden ihrer angestammten Funktion beraubt, sie dienen nicht mehr als externe Markierungen, vielmehr treten sie nun als immanente Maßzahl der Permutation, als Einheit der Transformation auf. Damit aber, wenn Einleitung sich nicht in einem vokabularischen Präliminarium erschöpft, ist die Reihenfolge von Einleitung und einzuleitendem Text beliebig. Nichts zwingt dazu, die Einleitung als eine solche voranzustellen, wenn Einleitung nunmehr unter strukturellem Gesichtspunkt allein als Polarität innerhalb des Wechselspiels von Innen und Außen - bei möglicher wechselnder Besetzung - betrachtet wird. Und eigentlich wird die Rede von Einleitung und Text selbst hinfällig, deutet sie doch nur auf die kontingente Anordnung unter den Zwängen des Buchdrucks hin. Suggeriert die Zählung der Seiten zwar ein solch lineares Beginnen und Enden als einmaliges, so trifft dies nur insoweit, als der erneute Durchgang nie dem ersteren gleich ist. Als Anfang oder Ende interpretiert kann sie aber nur als Marke des Einstiegs verstanden werden. Das jedoch bedeutet nicht, daß die Reihenfolge und Anordnung des Textes der wilden Anarchie des Zerschneidens und Zerstükelns preisgegeben ist. Nichts dergleichen. Denn auf der zum Kreis gebogenen Linie wird durch die Krümmung nicht die Beliebigkeit inthronisiert. Allein die Chimäre eines aus dem Nichts entstehenden und am Ende abgeschlossenen Prozesses von Produktion und Rezeption wird als eine solche entlarvt.

Ist mit dem bisher Gesagten der Einstieg in den Kreis vollzogen, so ist nicht deutlich, an welcher Stelle der Zugang sich ereignet. Ist es das Innen, das hier an die Oberfläche dringt oder läßt der Umriß des Außen hier sein Kontur erkennen. Oder läßt sich dies am Ende nicht entscheiden? Das Eine im Kostüm des anderen, das Andere umschließend umschlossen vom einen? Eine Klarheit hierüber vermag nur der volle Durchgang, die Wiederkehr zu schaffen, und so soll jetzt der Weg beschritten werden, der sich anschickt das Außen(?) des Güntherschen Textes zu skizzieren.

Eine Skizze jedoch, die sich nicht in biographischen Nachzeichnungen oder exegetischen Entstehungsanalysen ergeht, die vielmehr den Raum abschreitet, der dem Denken Günthers die Umgebung ist. Es gilt die Linie zu ziehen, an der das Innen mit dem Außen sich berührt, und solcherart, im Setzen der Differenz, dem einen wie dem anderen erst Identität zu verleihen.

DAS AUßEN




ThinkArt Lab

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