Vortrag, Dienstag 22. April 1997, 19h
Kann es überhaupt eine Position jenseits von Kulturpessimismus und Technikeuphorie geben?
Zwingt uns nicht die Philosophie und ihre Logik zu dieser Dichotomie und zur Parteinahme für eine der Positionen?
Wie müsste der Ort beschaffen sein, von dem aus eine Verwerfung der beiden Positionen möglich wäre? Mit welchem logischen Instrumentarium könnte diese Verwerfung gelingen?
Wenn sich sowohl Kultur wie Technologie als Zukunftserschlossenheit, als Verkörperung und Vergegenwärtigung von Zukunft verstehen liesse, würde sich da nicht eine neuer Kontinent des Denkens eröffnen, jenseits von Subjekt und Objekt?
Kreativität müsste sich nicht mehr auf Innerlichkeit, Kalkültechnik nicht mehr auf Äusserlichkeit reduzieren. Ein Bereich wäre zu erforschen, der in sich beides vereinigen würde: zugleich Innerlichkeit wie Äusserlichkeit und ineins - keins von beiden.
Es könnte ein Wechselspiel von Kreativität und Kalkül entstehen, das die Innerlichkeit der Intuition von den Routinen der Kreativität entlasten und den Kalkül auf komplexe Weise dynamisieren würde.
Damit wäre der Ort angegeben, der den Komplexitätsforderungen einer systematischen Medienwissenschaft entsprechen würde.
Diese wäre nicht mehr gezwungen, ihre Argumentations- und Fragetechniken wie ihre Denkmodelle allein einer Kulturwissenschaft und einer Computertechnologie zu entlehnen.
Ohne den Zwang zur Hierarchisierung und Digitalisierung übernehmen zu müssen, liessen sich Methoden und Techniken ohne Angst und Verblendung uneingeschränkt übertagen.
Medienwissenschaft wäre so in sich multi- bzw. trans-medial verfasst und eine polykontexturale Komplexion von Selbst-Thematisierungs- und Modellierungsweisen, die sich über alle Ebenen und Bereiche der Theoriebildung in Forschung und Lehre konkretisieren liessen.