Medien - und hier ist zunächst ganz allgemein an all das zu denken, was als kompensatorisches Element in Dienst genommen werden, um die naturgegebenen Defizite des, wie Arnold Gehlen es nennt, Mängelwesen Mensch abzufedern - Medien also lassen sich vorrangig unter dem Aspekt ihrer Dienlichkeit erfassen.
Neben dem Drang, das technisch Machbare auch als konkrete Realität zu manifestieren, besitzt das initiale Motiv für die Genese von Medien immer auch eine finalistische Komponente, Medien werden in aller Regel unter einer klaren Ziel- und Zweckorientierung entworfen resp. weiterentwickelt. Die instrumentelle Vernunft agiert nicht als l´art pour l´art, und dementsprechend steht das Medium - gleichgültig ob Faustkeil oder World Wide Web - als Element einer Zweck-Mittel-Relation im operationalen Brennpunkt der Kontingenzbewältigung.
Daher mag es überraschen, wenn das LMR seine Forschungs- und Entwicklungsarbeit gerade in operativer Hinsicht dem Begriff der Defokussierung unterstellt, womit anders gewendet eine Zielsetzung umrissen ist, nach der die im LMR konzipierten und realisierten Medien sich im Rahmen der instrumentellen Praxis weitestgehend der Sichtbarkeit entziehen sollen, sie von allem Anfang an auf ein Höchstmaß an Selbstverbergung hin angelegt sind. Was ist darunter vorzustellen? Wie sollen Medien, die doch antreten, die natürlichen Grenzen der Körper in möglichst unabsehbare Weite auszudehnen, vor eben diesen Körpern verborgen bleiben? Vor allem aber: Wozu?
Die Antwort hierauf läßt sich finden, wenn daran erinnert wird, daß die Geschichte medialer Entwicklung in mehr als einer Hinsicht als eine Geschichte des Verschwindens, als ein Prozeß der Selbstverbergung gelesen werden kann. Bereits bei Marshall McLuhan finden sich Hinweise hierauf, wenn er den genetischen Zusammenhang von alten und neuen Medien dahingehend beschreibt, daß alte Medien im Zuge der Mendienevolution zwar nicht aussterben, sie vielmehr als Supplemente der neuen Medien in eben diesen neuen Nachfolgemedien fortleben.
Das Alte geht im Neuen auf! Oder anders: Das Alte wird im Neuen aufgehoben. Aufhebung aber, so ist seit Hegel bekannt, konfrontiert den Beobachter mit der Schwierigkeit, das Selbe im Anderen zu identifizieren, denn mit der Aufhebung des Alten im Neuen ist dessen Identität als homogene Selbigkeit gebrochen, zeigt seine Identität sich als eine von Differenz durchzogene Identität, als Gleichheit. Aufgehobene Medien also überleben und verenden zugleich in neuen Medien; mit dem Verschwinden des Selben in seiner Wiederkehr als Gleiches agieren sie als mediale Wiedergänger und zeichnen so aus Sicht der theoretisch orientierten Medienwissenschaft die mediale Phylogenese als den Prozeß einer transformatorischen Wiederholung.
Transformation und Adaption erscheinen damit als systematisierende Beschreibungskategorien, wenn die Beobachtung sich an den jeweiligen Generationsübergängen auf den dort charakteristischen Form-Inhalt-Wechsel richtet, wenn also die Beobachtung eine diachrone Perspektive einnimmt. Doch auch in synchroner Hinsicht läßt sich die voranschreitende Medienentwicklung als Prozeß einer kontinuierlichen Selbstverbergung befassen, dann nämlich, wenn das Phänomen der Verbergung unter pragmatischen Aspekten als ein Phänomen erfaßt wird, das sich eng an den spezifischen Umgang mit Medien koppelt, ja das letztlich von der Qualität dieses Umgangs abhängt.
Werden in dieser Weise die handlungstechnischen Umgangsformen mit Medien thematisiert, dann rückt damit nicht nur der für die Philosophie des LMR, seine Entwicklung und sein Profil essentielle Kern ins Zentrum, vielmehr zeigt sich als wesentliche Größe einer adäquaten Beschreibung von Medien neben dem Medium selbst nunmehr auch sein Nutzer, Anwender, Operator. Nutzung und Benutzung, Anwendung und das erfolgreiche Operieren in und mit Medien aber ist stets an gewisse theoretische und praktische Routinen gebunden, und der Umgang mit Medien verweist so auf eine Basisdisposition, die in Teilen der Sprachwissenschaft, namentlich bei Noam Chomsky, die primordiale Bedingung für das erfolgreiche Lavieren im grundlegendsten aller Medien, in der Sprache, bezeichnet: Kompetenz.
Ohne die intrikaten Implikation des sprachwissenschaftlichen Kompetenzbegriffes übernehmen zu müssen, läßt sich der Zusammenhang von handlungstechnischen Umgangsformen mit Medien einerseits und der in Rede stehenden Verbergungstendenz von Medien andererseits unter dem Leitbegriff der Kompetenz dann dahingehend dechiffrieren, daß der Gradmesser für die Selbstverbergung des Mediums eben in der Kompentenz seines Nutzers, Anwenders, Operators zu sehen ist. Medienkompentenz unterscheidet sich hier in keiner Weise von jedweder (instrumentellen) Kompentenz als dem strategischen Repertiore repetitiver und inventierender Handlungsmuster; auch der Umgang mit Medien figuriert sich in Abhängigkeit einer dispositiven Kompetenz, womit das jeweilige Agieren in und Interagieren mit Medien stets innerhalb der durch den Kompentenzbegriff aufgespannten Polarität von bewußter und unbewußter Kompentenz rangiert:
Das beherrschte Instrument, der internalisierte Umgang erübrigt die dezidierte Reflexion auf Handlung und - und das ist entscheident - entzieht dem in seiner Anwendung aufgehenden Anwender das Medium seiner Anwendung, das erst im Fall der Störung, des Rauschens, zum Problem wird und so als Gegen-stand in den Blick kommt.
Werden Medien also in Hinsicht auf ihre instrumentelle Funktion betrachtet, so geben sie jenseits ihres je spezifischen Verwendungszwecks als allgemeines strukturelles Charakteristikum die grundlegende Eingenschaft zu erkennen, daß sie ihre Präsenz für einen jeweiligen Benutzer in dem Maße verbergen, in dem sie dem Anwender reibungslos zur Hand sind.
Anders: Sie verlassen den Raum ihrer Verborgenheit erst im Fall des gestörten Funktionierens oder einer für das Bedienen unzureichenden Kompentenz. Bewußte und unbewußte Kompetenz, fragloser und problematisierter Umgang mit Medien wird so zum Gradmesser für die Präsenz des Mediums, womit sich in Anlehnung an eine alte Einsicht aus der Lebensphilosophie analogisieren läßt: Das Medium zeigt sich in Widerständigkeit.
Eben diesen zwischen Präsenz und Absenz oszillierenden Charakter der Dinge in Abhängigkeit von dem gebrauchenden Umgang mit den Dingen beschrieben zu haben, ist das medientheoretische Verdienst Martin Heideggers , in dessen Terminologie die Dichotomie von bewußter und unbewußter Kompetenz, von präsentem und absentem Medium ihre Abbildung in dem Begriffspaar der Vorhandenheit und Zuhandenheit findet.
Dabei kennzeichnet Zuhandenheit jene (ontische) Verfassung der Dinge, unter der sie einem Operator als verborgene begegnen, solange und insofern er sich im Raum seiner Medien in ungebrochener Vertrautheit mit ihnen bewegt, solange ihm die Dinge bruch- und fraglos zur Hand sind.
Erst die Fragilität der Dinge, das Auseinanderfallen des fraglosen Umgangs, bringt (mit der ontologischen Dimension der Dinge) die Dinge als thematsierungsfähige und thematsierungsbedürftige, als an sich vorhandene ans Licht.
Die große Anziehungskraft, die der Unterscheidung Heideggers innewohnt, liegt nun weniger in der Sinnfälligkeit und intuitiven Klarheit seiner Terminologie. Vielmehr verdeutlicht diese Differenzierung, daß sich hinter der Dichotomie von bewußter und unbewußter Kompetenz, von präsentem und absentem Medium mehr verbirgt als das bloße Wissen, daß Sichtbarkeit stets vom Fokus der Inblicknahme anhängt - gleichgültig, ob mit der Gestaltpsychologie dabei an das Schema von Vorder- und Hintergrund gedacht werden muß, oder ob von Seiten der Reflexionslogik, ja bereist vom Alltagsverstand, das permanente Changieren der Reflexion zwischen den Polen von Selbst- und Weltvergessenheit reklamiert wird.
Denn neben der Mechanik von Ein- und Ausblendung legt das Verxierhafte an dieser Stelle die tiefergehende Struktur frei, in der das Medium und sein Operator über die Operation verbunden sind:
Es ist nicht nur die Qualität der Operation selbst, die darüber entscheidet, ob und inwiefern das Medium seinem Operator gegeben ist (und umgekehrt), sondern eine umfassende Beschreibung dessen, was Medien sind, läßt sich nie ohne die simultane Beobachtung der trinitarische Relation von Medium-Operation-Anwender erzielen.
Zuhandenheit und Vorhandenheit sind keine Qualitäten der Dinge an sich, sondern rekursive Bestimmungen, die allein aus der aktuellen Praxis des mit den Dingen agierenden Anwenders resultieren, und die in eins damit immer auch Auskunft über die Verfaßtheit des Anwenders und der Anwendung geben.
Systemtheoretisch gewendet bildet die Dreifalt von Medium-Operation-Anwender ein konnektives Gefüge, in dem die Disposition eines Teiles - sei es Element oder Relation - notwendig die der anderen und damit die des Gesamtsystems bedingt, und Medien erscheinen damit als das komplexe Zusammenspiel von Medium, Operation und Anwender.
Die Umgangsform also entscheidet über die Verfassung der Medien, und Vorhandenheit fungiert als Sigle des Widerständigen: Medien, Instrumente, die nicht funktionieren, verlassen den Raum fragloser An- und Verwendung; das Medium, das sich bis dahin in der Unmittelbarkeit seines Funktionierens verborgen hielt, tritt im Fall des Stockens als diskrete Größe in den Blick. Ist demgegenüber das funktionierende Ding, das beherrschte Instrument, das zuhandene Medium also immer von Spuren seiner Spurlosigkeit durchzogen, so entfaltet das erst bzw. nicht mehr zu beherrschende Ding als das von Reibung und Rauschen durchzogene Medium, als eigentlicher Gegenspieler seines Anwenders die wesentliche Differenz zwischen beiden.
An der Nahstelle dieser Differenz nun stehen zwei grundsätzliche Wege offen, auf denen die Qualität der Differenz, das heißt die Relation zwischen Medium und Operator, in Richtung auf eine möglichst vollständige Minimierung jeglicher Art von Widerständigkeit beeinflußt werden kann.
Zum einen läßt sich hier der Operator, User, Anwender als Angriffspol wählen, indem das Gesamt seiner für den erfolgreichen Umgang notwendigen Fähigkeiten optimiert wird, indem also das Dispositiv der Kompetenz den Anforderungen des Mediums angeglichen wird.
Im Kontext der zeitgenössischen Produktionsbedigungen multimedialer Berufswirklichkeit ist dies der Weg, den die gegenwärtige Hochschuloffensive unter dem Stichwort der Medieninformatik einschlägt. Dahinter verbirgt sich das massive Vordringen eines kompilativen Studienganges, der die beiden Stränge von Informatik und Gestaltung unter der Zielsetzung verbindet, eine den Produktionsverhältnissen adäquate multimediale Kompentenz zu vermitteln.
Dieser Weg ist nicht nur gangbar und unter bestimmten Maßgaben sinnvoll, er spiegelt darüber hinaus auch wesentliche Motive wider, die innerhalb der KHM perspektivisch die Ausbildung strukturieren, wenn dort eines der zentralen Anliegen gerade darin liegt, Studierende auf der Höhe der technischen Standards mit den gestalterischen Möglichkeiten des technischen Machbaren bekannt und vertraut zu machen.
Der andere Weg dann besteht demgegenüber darin, die Bedingungen der Produktionsverhältnisse selbst, das heißt die Medien als Angriffspunkt für die intendierte Minimierung der Reibungskräfte zu wählen.
Dies nun ist der Weg, den das LMR mit den dort lancierten Projekten und Forschungsarbeiten verfolgt: Zielsetzung und Strategie des LMR ist es, Medien zu konzeptionalisieren und zu realisieren, die angesichts der gesteigerten Komplexität und Komplizität (multi-)medialer Einsatzfelder in der Lage sind, das Potential an Widerständigkeit für ihre jeweiligen Anwender auf ein Minimum zu reduzieren. Anders gewendet geht es am LMR darum - vorrangig im Bereich dessen, was unter dem Generalnenner Virtuelle Realität rangiert -, die Schnittstellen zwischen Medium und Anwender so zu entwerfen, daß sie über ein Höchstmaß an intuitivem Bedinungskomfort in Bereiche bislang noch nicht realisierter Benutzerfreundlichkeit reichen.
Ähnlich also wie vor noch nicht all zu langer Zeit eine verbesserte Rechnerarchitektur und Software in der Lage war, den Komputer via WIMP-Schnittstelle (Windows, Icons, Menus, and Pointing Devices) in ein praktikables Massenprodukt zu verwandeln, das heißt ähnlich wie sich der Rechner mittels Mausklick aus der Hermetrik befehlscode-gestützten Insiderwissens in einen intuitiv zugänglichen Hausfreund verwandeln ließ, liegt die Stoßrichtung des LMR darin, praxistaugliche Mensch-Maschinen-Schnittstellen im Rahmen der sog. neuen Medientechnologien zu entwerfen. Und so wie die Maus als Sinnbild plötzlicher Zuhandenheit die bis dahin vorhandene Tastatur und damit den Rechner als zu beherrschendes Instrument zum Verschwinden bringt, um ihn als personalen Gegenüber interaktions- und dialogfähig zu machen, so kreisen die Projekte des LMR in unterschiedlicher Form darum, die gegenwärtig avanciertesten Komputertechnologien in den Bereichen Film-/Fernsehproduktion, Virtuelle Realität, Mensch-Maschine-Interaktion aus der gegen-ständlichen Vorhandenheit in das Verschwinden eines zuhandenen, also intuitiv zugänglichen Umgangs zu bringen.
Damit dann - und dies wäre ein weitere Konsequenz so etablierten Defokussierung, von der eingangs die Rede war - wirft der konzeptionelle und strategische Hintergrund, vor dem das LMR seine Entwicklungsarbeit versteht, ein deutliches Schlaglicht darauf, inwieweit das Repertoire, das die neuen Medientechnologien bereit halten, gegenwärtig noch kaum ausgeschöpft ist:
Unter der Maßgabe, daß der effektive Umgang mit technischen Medien jeder Art die Absenz des Mediums als Medium voraussetzt - und dies gilt in gesteigertem Maß für kreative und gestalterische Kontexte - darf das Maximum der Mensch-Maschine-Beziehung nicht länger als ein bloßer Interaktionsprozeß avisiert werden, in dem Medium und Operator sich als statische Größen begegnen.
Auch unter der (bislang noch nicht gegebenen) Voraussetzung einer voll realisierten verbalen und non-verbalen dialogischen Interaktion verschleiert die Denkform, die sich dem Interaktionsmodell unterstellt, die essentielle Sprengkraft der neuen Medientechnologien, insofern sie als weitestreichende Möglichkeit allein die Konstitution eines dialogischen, ko-kreativen Prozesses zwischen Mensch und Maschine annimmt.
Wird demgegenüber der Gedanken des sich verbergenden Mediums ernst genommen und wird dazu noch erinnert, daß die Qualität der Operation zwischen Medium und Operator stets beide Seiten mitbestimmt und transformiert, dann konturiert sich das Ziel intuitiver Mensch-Maschine-Schnittstellen als der Eintritt des Menschen in sein Medium. Wohlgemerkt, es geht nicht um die allbekannte indifferente Verschmelzung, wie sie in affirmativer oder ablehnender Haltung die gesamte Technikphilosophie durchzieht.
Hier geht es vielmehr darum, in Analogie zum Urmedium der Sprache auch die neuen Medien als einen Raum zu begreifen, in dem die Benutzer sich bewegen, ohne ihre Identität zu opfern.
Der Mensch spricht nur, insofern er der Sprache entspricht, formuliert noch einmal Heidegger die zentrale Erfahrung des Menschen mit, vor und in seinem Medium, was umgekehrt aber nichts weniger bedeutet, als daß die Sprache durch das Medium Mensch spricht. Operator und Medium - dies wäre die einzuschlagende Sichtweise, die aus den Engführungen der instrumentellen Vernunft befreit - begegnen sich im Medium, indem sie mit dieser Begegnung die Wirklichkeit des Mediums je und erst realisieren, um in der Begegnung ihre Identität in simultaner Dopplung zu entwerfen:
Der Mensch als Operator des Mediums, das durch ihn als Medium operiert - Wiederkehr und Verschwinden des Selben als Gleiches.
Mit dem Fokus bin ich nicht ganz einverstanden. Tatsaechlich war das verschwinden der Schnittstelle mal eine Zeitlang das Ziel einiger Projekte.
Gerade aber Heidegger gibt ja einen Hinweis darauf, dass das wirklich Spannende passiert, wenn es zum Bruch kommt, das Werkzeug von seiner Zuhan denheit in die Vorhandenheit wechselt.
Intuitive Schnittellen sind ideal, wenn man genau weiss was man will und es lediglich noch tun muss, wenn man das was zu erledigen ist, genau kennt.
Wenn man aber nicht sowieso schon die Loesung kennt und nur einen "schmerzfreien" Weg (Arbeit im negativsten Sinne des Wortes) zur Erledigung sucht braucht es andere Formen von Interfaces.
Z.B. alle sog. Ill-defined problems, d.h. Bereiche, bei Denen man noch nicht mal die Aufgabe genau spezifizieren kann, oder keinen eindeutigen Zeitpunkt angeben, wann eine Loesung erreicht ist, dann helfen einem diese Intefaces nicht viel.
Hier braucht man Werkzeuge, die einem bei der Suche helfen., die moeglicherweise individualisert sind, sich im Laufe von Monaten an den Benutzer adaptieren, etc.
Geht es also nicht vielmehr um die Inzenierung der Brueche, gerade im Umfeld kuenstlerischer Software und kreativer Prozesse.
Das spannende sind denke ich die Thematisierungen von Kontextwechseln, Kontexturschnitten, Standpunktwechseln, verschiedenen Formen der Adaption, Emergenzen, etc. Intuitive (verschwundene) Schnittstellen koennten aber ein Markstein sein.