2.1 Überwindung des instrumentalistischen Technik-Diskurses
Das im vorherigen Kapitel skizzierte Bild des Maschinenbegriffs hat gezeigt, daß der Mechanismus, sei es in der Form des klassisch-archimedischen, sei es als transklassisch-kybernetischer begriffen, nicht in seinen immanenten Wirk- und Funktionsweisen thematisiert wurde, sondern von Günther hinsichtlich seiner relationalen Bedeutung für den Technik handhabenden Menschen aufgegriffen wurde. D.h. der Weg, der hier gewählt wurde, war kein phänomenologischer Rückgang zu den Sachen selbst, und nicht eine ontologische Meditation, die sich in direktem Zugang unter Absehen von kontingent-realer Jeweiligkeit dem Wesen der Technik zu nähern sucht. Vielmehr scheint hier dem Anspruch Heideggers Rechnung getragen zu sein, wonach das Wesen der Technik, das bei Günther im Gewand der Maschine erscheint, niemals von innen heraus, also aus dem technischen Denken selbst verstanden werden kann.1 Günther konzediert dies ausdrücklich, auch wenn er Heideggers Verdikt, der Techniker könne mit seinem Denken nicht einmal in den Vorhof"2 der Technik eindringen, nicht unterschreiben möchte.3
Es mutet paradox an, aber Günther scheint gerade deswegen das Wesen von Technik so klarsichtig darstellen zu können, weil es für ihn die Technik überhaupt nicht gibt. Was es gibt und was Gegenstand von Untersuchungen sein kann, sind vielmehr jeweilige Ausformungen und Stufungen technischen Entwicklung. Damit scheiden die beiden oben angesprochenen Zugangsweisen einer Technikphilosophie von vornherein aus, da die statische Basis auf die die phänomenologische Reduktion zuläuft, sowie das An-sich der reinen Wesenheit im Bereich der disperaten Vielfalt technischer Funktionsweisen als reine Fiktion erscheint. Einen Zahnstocher und eine sich selbst ins Ziel leitende Cruise Missile gemeinsam unter dem Oberbegriff Mittel zum Zweck subsumieren zu wollen, ließe beide zwar als technische Instrumente nebeneinanderstehen, würde jedoch die qualitative Kluft, die sich zwischen ihnen auftut, verschütten. Wird jedoch jedes dieser in welcher Form auch immer auftretenden Artefacte in seiner spezifisch eigenen Kompliziertheit und Komplexität erfaßt, so löst sich zwar das Wesen der Technik in die Vielheit der unterschiedlichen Qualitäten auf, der Blick jedoch, mit dem die Dinge nun gesehen werden, ist differenziert und dem Gegenstand jeweils angemessen.
Darüberhinaus, und das ist an dieser Stelle von größerer Bedeutung, schafft das Absehen von der irreführenden Hypostase des An-sich die Denknotwendigkeit, die technischen Instrumente in ihrer jeweiligen Bedeutung für den Menschen zu explizieren. Denn wenn es nicht mehr darum geht, das Wesen als monolitische Einheit allein im Erkenntnisvorgang abzuschreiten, sondern nun jede Technik und Technologie gesondert von ihren Wirkungen und in ihren Auswirkungen verstanden werden soll, so tritt damit zwangsläufig der Schöpfer dieses Artefacts, der für den Konstruktionsplan verantwortlich zeichnet, in den Fragehorizont. D.h. der Mensch, der die Technik nicht mehr allein hinsichtlich ihres essentiellen Gehalts in den Blick nimmt, der nun vielmehr die Frage stellt, ob und wie sich über den Abgrund, der zwischen Essenz und Existenz klafft, eine Brücke konstruieren läßt"4, gelangt mit der Reformulierung der Fragestellung zu einem neuen Paradigma, anhand dessen sich sein Verstehen orientieren muß. An die Stelle des An-sich tritt das Für-ihn. Technik, die ohnehin nie als solche verstanden werden kann - es wäre müßig über eine Grenze zu streiten, die ein als solches festlegt: Ist das Werkzeug an sich schon ein solches, oder erst, wenn es im handhabenden Gebrauch seine Funktion erfüllt, da es ja auch zweckentfremdet genutzt werden kann - bedarf also immer der bereits oben angesprochenen relationalen Anbindung. Dies in zweierlei Hinsicht. Zum einen, wie soeben beschrieben, unter ihrem funktionalen Aspekt: Was etwas ist, darüber entscheidet seine Verwendung. Zum anderen aber auch im Hinblick auf die Frage nach den rekursiven Konsequenzen für den Menschen, also den anthropologischen Implikationen der Technik. Letztere Frage wiederum läßt sich ebenfalls aufspalten, denn anthropologische Implikationen meint einerseits die durch neue Technologien generierten lebensweltlichen Veränderungen, die den Menschen zwingen, sich innerhalb der neuen Zustände zu verorten.5 Andererseits ist hiermit jene Neudefinition des Menschen angesprochen, die sich für ihn ergibt, wenn er mit fortschreitender Perfektionierung seiner handwer