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6.1 Die Bedingungen der Negativität: Non-Substantialität, Präsemoitik, Selbstreferentialität


Levebvre1 und daran anknüpfend Kaehr2 weisen darauf hin, daß sich im sovietischen bzw. im westlichen Raum zwei unterschiedliche Grundmuster herausgebildet haben, um das Phänomen der Selbstbezüglichkeit zu thematisieren und zu erhellen. Günther nun folgt trotz seines langjährigen Aufenthalts in den Vereinigten Staaten und entgegen seiner oft vermerkten Bewunderung für den neuen und also amerikanischen Typus des Wissenschaftlers in diesem Fall dem sovietischen Schema. D.h. Selbstbezüglichkeit tritt bei ihm nicht im Vokabular der westlichen Kybernetik auf, vielmehr hält er in diesem Punkt die Kontinuität aufrecht, welche mit seiner Hegel-Dissertation ihren Anfang nahm, und die sich demgemäß in reflexionstheoretischem Terrain bewegt, also Selbstreflexivität anstelle von Selbstreferentialität. Inwieweit diese Unterscheidung in dem hier verfolgten Kontext einige nicht unerhebliche Konsequenzen zeitigt, soll im Folgenden kurz umrissen werden.

Wenn Spencer Brown seinen Kalkül mit der Aufforderung Draw a distinction." beginnen läßt, so erschöpft sich dies nicht allein darin, den Leser dazu zu bewegen, einen akkuraten rechtwinkligen Haken auf ein Blatt Papier zu zeichnen, sondern es fordert ihn dazu auf, simultan eine Unterschei- dung und eine Bezeichnung zu treffen, da das eine unmittelbar vom anderen abhängig ist, und umgekehrt. Unterscheidung und Bezeichnung heißt bei Spencer Brown aber, wie oben bereits diskutiert wurde, als observer etwas von diesem observer Verschiedenes zu unterscheiden/bezeichnen, heißt ein heteroreferentielles Beziehungsgefüge zu installieren. Die hier als indication und distinction konkretisierte Heteroreferenz jedoch basiert auf einer Reflexionsleistung des observers, der sich einmal als das Andere gegenüber dem Unterschiedenen weiß und zum zweiten dieses Andere gegen anderes Anderes unterscheidet und bezeichnet. Auf dieser Stufe der Reflexion spricht Günther vom doppelt reflektierten Bewußtsein"3, da hier einerseits das Selbstbewußtsein des observer, als auch dessen Objektbewußtsein notwendig vorausgesetzt ist. D.h. innerhalb der in Anlehnung an Hegel formulierten Rangfolge der Bewußtseinsstufen wäre die Maximalstufe des spekulativen Idealismus erreicht, insofern alle drei Reflexionsstufengegeben sind. (unmittelbares Bewußtsein = reine, unreflektierte" Perzeption; einfach reflektiertes Bewußtsein = Reflexion in anderes; doppelt reflektiertes Bewußtsein = Reflexion der Reflexion in sich und anderes)4 Sie sind gegeben, sie sind notwendig für den Akt der indication/distinction und dieser Akt kann umgekehrt legitim als ihre Manifestation verstanden werden. Interessant ist nun die Situation, die sich bei einem Transfer des Güntherschen Reflexionsparadigmas auf das erste Axiom Spencer Brown's ergibt. Wenn dort die mehrfach wiederholte Unterscheidung (zurecht) nichts an Wertzuwachs zu erreichen vermag, so spiegelt sich hierin das Problem des deutschen Idealismus in seiner gesamten Verfahrenheit wider. Dort nämlich bestand die Schwierigkeit, die letztlich zum Scheitern führte, darin, daß die unzähligen Wiederholungen der Subjekt-Objekt-Spaltung innerhalb der jeweils neu zu beschreitenden Meta-Ebenen der Reflexion an keiner Stelle zu der ersehnten Einheit des vollständigen Selbstbewußtseins führte, diese vielmehr die Reflexion in unabläßlicher Selbstobjektivierung in einen infiniten Regreß trieben. Anders ausgedrückt bedeutet dies, das jede weitere Reflexion, die auf die letzte der drei angeführten Stufen folgt, keinerlei qualitativen Zuwachs erbringt, sondern strukturell permanent den gleichen Reflexionsprozeß vollzieht. An der strukturellen Gleichheit ändert auch der von Mal zu Mal anwachsende Ballast der vorangegangenen Reflexionen nichts, bei gleichbleibender Reflexionstiefe