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Vorwort


Einige Bemerkungen zur Situierung der Arbeit im zeitgenössischen Kontext der Grundlagenstudien zur Informatik.

Prä-Semiotik, Anti-Repräsentationalismus und Grammatologie

Die ganze Diskussion über anti-repräsentionale Systeme hat vom Standort der Graphematik nur zwei Möglichkeiten: 1. die heute vorherrschende des Neurocomputing, die sich in der Statistik neuro-morpher Netzwerke, der Chaosforschung und der Katastrophentheorie oder der Physik einer Signaltheorie verliert. Oder 2., die Besinnung auf die Grammatologie (Derrida) als Dekonstruktion des Körpers der zu hintergehenden Zeichen als Repräsentamen. Die vorliegende Arbeit versucht die zweite Möglichkeit zu realisieren. Dabei wird implizit der Heideggerschen Destruktion der Ontologie und den weiterführenden Arbeiten Ernst Tugendhats Rechnung getragen.

Pile System

Nachdem ich die erste Version (2001) dieser Arbeit geschrieben hatte, habe ich über eine Email von Peter Krieg von dem Pile System erfahren. Eine Auseinandersetzung mit dem Pile System hat eben erst angefangen, so dass hier noch kaum Stellung bezogen werden kann. Die Ideen von Non-representational data input", Global self-reflection" und insb. die Plurality of beginnings" können ein Einstiegs- und Vergleichspunkt der Ansätze sein. Ist doch die Idee und Konzeption einer Vielheit der Anfänge und der Ko-Existenz in der vorliegenden Arbeit zentral: Es gibt keinen Ursprung; einzig Vielheiten des Anfang(en)s." Dieses Statement bezieht sich jedoch nicht nur auf eine Datenstruktur, sondern betrifft die Konzeption einer in der Kenogrammatik fundierten polykontexturalen Arithmetik. Nicht ganz umsonst werden Pile Systems neuerdings mit dem Term "Polylogic Computing" charakterisiert, (www.pilesys.com).

Interaktionismus

Im Gegensatz zu den klassischen Theorien des Computing, die über einem initialen Objekt definiert und fundiert sind, also konstruktivistisch auf fundierten Mengen basieren, ist die Theorie des Interaktionsmodell des Computing in einem finalen Objekt fundiert und basiert auf nicht-fundierten Mengen. Beide Thematisierungen sind in mancher Hinsicht dual zueinander, wenn auch Asymmetrien im Sinne einer Erweiterung des Berechenbaren von Seiten des Interaktionismus beansprucht werden. Interessant ist die Theorie der Swinging Types", die beide Ansätze gewissermassen in einen dialektischen Swing bringt.

TransComputing versucht dabei die identitätstheoretischen Voraussetzungen beider Positionen, die in der Einheit der Objekte konstituiert ist, zu dekonstruieren und einen Formalismus jenseits des Diktats von initialem und finalem Objekt zu postulieren insofern als von Vielheiten des Anfang(en)s" ausgegangen wird. Diese Anfänge und Enden sind vorerst neutral gegenüber der Unterscheidung von initialem und finalem Objekt und dem Wechsel zwischen beiden.

Polykontexturalitätstheorie

TransComputing ist sowohl eine Applikation polykontexturalen Denkens als auch eine simultane Weiterführung der Explikation der Polykontexturalitätstheorie, insb. der Kenogrammatik. Dabei werden die mathematisch-logischen Aspekte aus der PKL-Forschung im Entwurf der Idee (Teil A) nur im Hintergrund mit einbezogen. Es wird versucht, die polykontexturalen und kenogrammatischen Konzeptionen und Methoden soweit wie möglich begrifflich und mithilfe von Diagrammen einzuführen und plausibel zu machen. Im Teil B, Formales Modell, werden Ergebnisse der PKL-Forschung mit ins Spiel gebracht. Die Polykontexturalitätstheorie optiert für eine multiversale Kosmologie. Dies involviert eine Konzeption des Mathematischen als Semiotik, Logik und Arithmetik, die diese über eine Vielheit von irreduziblen Orten disseminiert.

Zur Grammatologie der Wiederholung

Das Verhältnis von begrifflicher und formalistischer Notation ist grundlegend für eine Einführung bzw. Inszenierung des TransComputing. Nichtsdestotrotz muss diese Thematisierung hier im Hintergrund bleiben und kann nur an wenigen Punkten zur Geltung kommen. Begriffe wie Anfang", Übergang", Wiederholung", Sprung", Obstakel" usw. müssten zumindest in einen dekonstruktiven Zusammenhang gebracht werden, damit die Begriffsverschiebung und Entontologisierung deutlicher werden kann. Der Begriff der Wiederholung müsste expliziert und kontrastiert werden zu: Iteration, Repetition, Rekursion, Disremption.

Second-order Cybernetics

Thematiken wie das Denken des Denkens" sind genuin von second-order Natur. Dass die Kybernetik diesen turn vollzogen hat, ist gewiss in mancher Hinsicht auf den Einfluss Gotthard Günthers am BCL (Biological Computer Lab, Urbana, Ill., USA, 1961-1974) zurückzuführen. Die vorliegende Arbeit versteht sich auch in dieser Tradition, setzt jedoch gegen die Figur des Circulus Creativus (Uroboros) und der Rekursion die dekonstruktive Figur der Proemial Relationship und den Chiasmus. Von Wichtigkeit ist auch der autopoietisch verstandene Begriff der Autonomie, der eine radikalere Charakterisierung lebender Systeme ermöglicht als es das Konzept der Selbstorganisation zulässt.

Fibering and Weaving of Formal Systems

Von der mehr philosophisch-kybernetisch orientierten "Distribution und Vermittlung" klassischer Logiken im Sinne der Stellenwerttheorie durch Gotthard Günther zur Faserbündeltheorie von Jochen Pfalzgraf, der Technik des Fiberings und Weavings von Logiken nach Dov Gabbay ist eine Entwicklung von über 40 Jahren der Arbeit an einer Entgrenzung des Logischen zu verzeichnen (s.a. Günther, Idee, Vorwort, 3. Aufl). Nicht ganz zufällig haben sich beide Tendenzen, die polykontexturale und die Faserbündeltheorie durch eine Vermittlung verwoben. Dies geschah im Verlauf zweier Koinzidenzen. Einmal durch meine Arbeit mit Jochen Pfalzgraf im Jahre 1988 und weiter durch die Entdeckung deren Bedeutsamkeit für eine Semantik der "labelled logics" durch den Logiker Dov Gabbay.

ZITAT

IGPL, 4,3, p. 455

Die Metapher eines Gewebes rechnender Räume involviert den Prozess der Verteilung und Vermittlung von formalen Systemen. Auch wenn in Teil A dieser Arbeit keindirekter Bezug auf die fibered logics bzw. die polykontexturale Logik als Distribution und Vermittlung klassischer Logiken genommen wird, sondern direkt auf eine Verteilung und Vermittlung eines sehr generellen Modells des Machinalen bzw. Computionalen gesetzt wird, ist die logische Thematik eines "Combing Logics" bzw. einer polykontexturalen Vermittlung im Hintergrund des Entwurfs leitend.

Im Unterschied zur Faserbündeltheorie (Fibering), die ein einzelnes System als Basis auszeichnen muss, selbst wenn es in sich komplex strukturiert sein mag, gilt gemäss der Metapher eines "beweglichen Gewebes" eine Dynamik, für die es keine stabile Auszeichnung eines Anfangs gibt, und deren Basisreferenz immer nur relativ zum Wechselspiel von lokaler und globaler Thematisierung, die jegliche Hegemonisierung durch die Globalität ausschliesst, und deren Verwerfung fungieren kann.

Eine weitere Einordnung der SKIZZE in die zeitgenössischen Tendenzen der Grundlagenforschung in Logik, Computerwissenschaft und Mathematik zeigt das untenstehende Diagramm. Die Einordnung ist Resultat der Methode des Concept Mining mit dem Zweck, Anschlüsse für die sonst recht isolierte Forschungsrichtung der Polykontexturalitätstheorie und Kenogrammatik zu finden. Damit verbunden ist die Möglichkeit der Rezeption von Methoden und Begriffsbildungen, die die Intuition der Polykontexturalität zu vertiefen und zu konkretisieren erlauben. Zu den rein mathematisch-computerwissenschaftlichen Tendenzen kommt hinzu, dass im Rahmen des Projekts der Verkörperung von künstlichem Leben, immer stärker philosophische Argumentationen bemüht werden. Insbsondere kommt der Interaktionismus ohne eine Aufarbeitung der Phänomenologie und der Daseinsanalyse der deutschen und französischen Philosophie nicht mehr aus.

Die Metapher eines lebendigen Gewebes mag zwischen Else Lasker-Schülers Tibet-Teppich und Joseph Goguens Tatami-Project...liegen.

Diagramm 1

Die
SKIZZE im Kontext gegenwärtiger Tendenzen
Combining Logics

"Much attention has been recently given to the problems of combining logics and obtaining transference results. Besides leading to very interesting applications whenever it is necessary to work with different logics at thesame time, combination of logics is of interest on purely theoretical grounds."

"Fibring is a combination mechanism whose set-up is made at the level of structural consequence systems, logic system presentations and logic presentations, as well as of their layered versions, ...Intuitively, if we fibre two given structural consequence systems, we obtain a new structural consequence system whose signature contains the signatures of the two given systems and whose structural consequence operation extends the two given structural ones in some minimal way." Caleiro, Combining Logics, p. 136

s.a. http://www.cs.math.ist.utl.pt/cs/clc/fibring.html



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