Joachim Castella
I.M.A.G.E.
Institut für Medienanalyse und Gestalterkennung

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Der Gang an der Grenze

Einleitung in das Denken Gotthard Günthers

Vortrag vor dem Kepler-Kreis, Arbeitssitzung “Zur Logik der Wahrheit über die Wirklichkeit des Lebens.”

9.-11.12.1994, Evangelische Akademie, Mülheim/Ruhr, 10.12.1994, © beim Autor.

 

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Womit fängt man an? -

Es ist gewiß keine Koketterie des Referenten, an den Beginn die Frage nach dem gelingenden Einstieg zu stellen, auch wenn im Falle Gotthard Günthers die durchaus gegebene Überschaubarbarkeit seines Werkes solches nahelegt. Sechs Einzeleditionen - drei Monographien und die dreibändige Aufsatzsammlung - sollten diesbzgl. keine Probleme bereiten. Doch ebensowenig wie Masse notwendig mit Qualität korreliert, indiziert ein Opus, dessen Bandzahl nicht in die Höhen des "Köchel"-Verzeichnisses reicht, seine leichte, sichere und letztgültige Situierung. Wollte man hier - wie auf manchen Buchrücken zu finden - die Zielgruppen auflisten, so fände sich eine disparate Reihe möglicher Interessenten: mit Sicherheit wohl Logiker; Kybernetiker, Systemtheoretiker; ebenso die Anhänger der Selbstorganisationstheorie und Künstlichen-Intelligenz; nicht minder Philosophen, Hegelianer und Hegeliter, Dialogisten und Transzendentalisten, Idealisten und Dekonstruktivisten, Dialektiker aller Couleur; aber auch Sozialwissenschaftler und Politologen, Ethiker und Ästhetiker, Kommunikationstheoretiker, sowie ganz pragmatisch orientierte Therapeuten und (Psycho)Analytiker.

Eine solche Reihung scheint sich in der skizzierten Inhomogenität und Flächigkeit selbst zu unterminieren; wo viele einen Zugang finden, keimt schnell der Verdacht auf seichtes Niveau. Doch spiegelt die Liste der imaginären Leser im Falle Günthers die tatsächliche Breite der Rezeption wider, die die Arbeit des am 15.6.1900 in Schlesien geborenen Pastorensohns durchlaufen hat. Dies ist nicht von ungefähr so, denn Günther selbst beschreibt das, was er in seinen oft litaneihaft gleichklingenden Schriften wieder und wieder projektiert, als nichts geringeres als eine, seine Weltsanschauung. In der Tat, es geht um Weltanschauung, wenn darin mehr gesehen wird als blanke Ideologie, wenn die Anschauung der Welt, die Günther uns zu teilen offeriert, mit guten Gründen viele überkommene Seh- und also Denkgewohnheiten ablegt.

Daher nimmt es nicht Wunder, wenn eine höchst heterogene Klientel im Werk Günthers ihr Schärflein Theorie zu finden hofft, denn die Welt ist seit Wittgenstein alles, was der Fall, was sagbar ist. So finden sich Hinweise auf das "Fußnoten-Phänomen" Günther in I.M.Bochensky’s grundlegender Logik-Fibel ("Formale Logik") ebenso wie bei orthodoxen Hegel-Exegeten, über die Mitarbeiter am BCL, dem Günther von 1961-72 abgehört, findet er Eingang in die kybernetische Literatur, wie über die Freunde Max Bense und Helmut Schelsky in die Ästhetik bzw. Sozialwissenschaften. In der Metaphysik erreicht er ex negativo höchste Weihen, wenn Heidegger die Lektüre Günthers für lehrreich erklärt - auch und gerade weil er ihn als gescheitert ansieht - und schließlich entdeckt der wirkmächtige und stets auf der Suche nach unerschlossenen und "adaptionsfähigen" Theoremen umtriebige Luhmann ihn für die (soziologische) Systemtheorie.

Bei genauerem Hinsehen ist es also nicht unbedingt so, wie es das von der kleinen und in sich beschlossenen Schüler-Gemeinde gerne propagierte Bild suggeriert: Günther, ein verkanntes Genie, das ungelesen und verschmäht am Rande des Diskurses sein Dasein fristet. Und dennoch, auch das ist richtig, Günther ist durchaus der "Grenzgänger des Denkens", wie Willi Hochkeppel es zu dessen 80. Geburtstag im Bayrischen Rundfunk beschreibt. [1] Ein Verrückter, so heißt es dort, wenn unter Verücktheit die Entschlossenheit verstanden werden dürfe, sich über das Anerkannte und vermeintlich Gesicherte hinwegzusetzen; ein Outsider und Einzelgänger im Verfolg seiner abwegigen Ziele.

Stellen wir also erneut die Frage nach dem besten Anfang, nach dem Einstieg im Verfolg dieser abwegigen Ziele: Thematisch oder biographisch - womit fängt man an?

Unterstellen wir diese Frage dem von Hochkeppel verliehenen Attribut, so kommen wir einen ersten Schritt weiter. Die Grenze mag als Leitfaden dienen, auch weil Abgrenzungen, also Negationen seit Spinoza als Eingrenzungen, also Determinationen geläufig sind. Geläufig auch ist es, im Zweifel über den Beginn einer Eingrenzung, wenn nicht zu den Sachen selbst, so doch zu den Verlautbarungen der Sachen zurückzugehen. "O-Ton" nennt die mediatisierte Sprechweise solches, und wir wollen uns diese Hörgewohnheit zu Nutze machen.

"Es könnte als eine der bedeutendsten geistigen Leistungen unserer Zeit gewertet werden, wenn es einem Forscher gelänge, die Logik des heute lebendigen wissenschaftlichen Bewußtseins zu schreiben." So beginnt eine Rezension, die Günther 1937 verfaßt, [2] und hinter dieser Sentenz - so wird zu zeigen sein - verbirgt sich nichts weniger als die Kurzformel seines lebenslang verfolgten Zieles. Und gleichzeitig führt uns dieser Satz heran an die Grenze. Dies in dreierlei Bedeutung, topographisch, biographisch, nicht zuletzt systematisch.

Günther schreibt diese Zeilen bereits jenseits einer Grenze, gemeint ist die des Deutschen, auf tausend Jahre veranschlagten Reiches, die er 1937 überschreitet, um seiner Frau, Dr. phil. Marie Günther, nach Monte San Vigilio, Italien, zu folgen. Mit der Betrachtung nun hier zu beginnen, ist nicht willkürklich, denn die lokale und biographische Zäsur kann durchaus auch als systematischer Einschnitt gelesen werden. Vorkriegs- und Nachkriegsphase lassen sich bei Günther unterscheiden, und auch wenn die polnischen Schlagbäume noch unverrückt stehen, hat für die Jüdin Marie Günther der Krieg, den zu dieser Zeit die Legion "Condor" in Spanien tatkräftig antizipiert, am Beginn ihres Exils, also 1933, schon längst begonnen. Somit wäre für Günther die Zeit des Exils, also die Jahre 1937-1948, eine breit gezogene Grenze, eine Umschlagachse, über die hinweg sich die thematische Verschiebung seines Denkens ereignet. Daß wir das Ende des Exil erst drei Jahre nach Ende des Krieges ansetzen, also acht Jahre nachdem Günther mit seiner Frau in die Vereinigten Staaten einwandert, findet seine Berechtigung in der eben erst 1948 vollzogenen Naturalisation zum amerikanischen Staatsbürger. In diesem Schritt mehr als einen meldetechnischen Akt zu wittern, liegt nahe bei einem Denker, der, wie er 1975 in der Rückschau seines Lebens bekundet, [3] die Idee des Preußentums stets verehrt habe. Mitglied in dieser Emanation des objektiven Geistes, um gleich ein zweites, elementares Versatzstück seines Werdeganges ins Spiel zu bringen, i.e. der preußische Saatsdenker Hegel, Bürger also der USA zu werden, muß als Ausdruck einer innerlich vollzogenen und tief empfundenen Identifikation mit dem Gastland verstanden werden. Eine Identifikation, die ihn schließlich heimisch werden läßt in der amerikanischen Geistigkeit, deren hervorstechendstes Merkmal er in der Grenzverschiebung, im Geist des Frontiers erblickt. "Go West, young man, go West!" hatte Horace Greeley den Amerikanern ins Stammbuch geschrieben, und Günther findet in dem Habitus des permaneten Aufbruchs seine unmittelbare Entsprechung. Das Anerkannte und vermeintlich Gesichter zu verlassen, hatte es Hochkeppel genannt, ins "Outback" des Denkens aufzubrechen, ließe sich hier nun im Anschluß an die Frontier-Metapher ergänzen. Dann aber, so drängt sich die Frage auf, müßte zunächst eine Bestandsaufnahme erfolgen; was ist die Quersumme des Denkens, dessen Logifizierung er 1937 als geistige Großtat deklariert?

Daß Günther hier einen eigenen Begriff von Denken und Bewußtsein verfolgt, macht der Konjunktiv der oben angeführten Formulierung deutlich: "wenn es ... gelänge, die Logik des heute lebendigen wissenschaftlichen Bewußtseins zu schreiben." Der Neopositivismus, explizit Carnaps "Logischer Aufbau der Welt" glaubt doch gerade, dies geleistet zu haben, sein Konstitutionssystem erhebt ausdrücklich den Anspruch, mit der Rückführung auf logoide Basissätze, die Sprache und das Denken von illegitimen "Metaphysismen" und Irrationalitäten gereinigt zu haben. Günther kennt diese Ansätze, akzeptiert sie als formallogisch korrekt, und kommt dennoch zu dem Schluß, daß auch sie die Logik des Denkens verfehlen. Wo also liegt der Fehler? Was ist falsch an der Logik, die dem Neopositivismus zugrunde liegt, oder hat dieser am Ende einen inkompatiblen Gegenstandsbereich? Ist vielleicht das virulente Bewußtsein, das die Positivisten zu beschrieben suchen, gar nicht das, dem Günther auf der Spur ist?

Beides ist der Fall, denn - so die frühe Einsicht des Dialektikers Günther - Logik präformiert Bewußtsein, und eine spezifische Bewußtseinsfiguration induziert die ihr korrespondierende Logik. Will man aus diesem Zirkel ausbrechen, so gilt es beide Komoneten in ihrer welchselseitigen Bedingtheit zu erkennen, zu situieren und schließlich zu unterlaufen, resp. zu überhöhen. Es gilt also auf die Bedingungen der Möglichkeit dieser Logik zu sehen, was nicht anderes bedeutet, als eine transzendentallogische Perspektive einzunehmen.

Transzendentallogik - damit sind wir an den Anfängen, nicht nur, weil Transzendentalität als das der Welt vorausgehende, sich an ihr jedoch verbergende beschrieben werden kann, sondern auch, weil Günther sich in seinen frühen Aufsätzen noch ganz als Transzendentallogiker versteht. Zweierlei geht hier eine Verbindung ein, die im Denken Günther spezifisch ist: die Strenge und Konsistenz, wie sie die Logik fordert und die Strukturalität, um nicht zu sagen: der strukturtheoretische Aspekt, mit dem die Transzendentaltheorie sich vom nackten Positiven ab- und dem konstituierenden Bewußtsein zuwendet.

Daß dies ein Grundzug in Günthers Denkens ist, bezeugt bereits seine Studienwahl. Von ihren Anfängen an will er die Philosophie studieren, d.h. er beginnt mit Indologie und klassischem Chinesisch. Dazu - er ist in Heidelberg - kommt Neukantianismus bei Rickert. Aber all das bleibt ihm unbefriedigend, die Asiaten bieten zwar strukturell Neues, lassen es aber an begrifflicher Schärfe mangeln, wogegen die europäische Moderne zwar eine an westlichem Verständnis orientierte Konsistenz liefert, jedoch in ihren Denkschemata einen verbrauchten Duktus versprüht; ein System löst hier das andere ab, und jedes pocht mit gleichem, vielleicht vollem Recht auf seine Gültigkeit.

So wenigstens kommt es Günther an, wobei der Blick, den er über das philosophische Alltagsgeschäft streifen läßt, präformiert ist von einem Lektüre-Erlebnis, das er im Tertianer-Alter in der reichhaltigen väterlichen Bilbliothek macht. Dort, wo er häufiger zu finden ist als beim Spiel mit Altergenossen, fällt im Karl Heims Abgesang auf die Philosophie in die Hand, den dieser dem "Weltbild der Zukunft" (1904) in Aussicht stellt. "Wenn alle Antworten", so erklärt Heim "die man auf eine Frage geben kann, in gleich unlösbare Schwierigkeiten verwickeln, so gibt es nur noch einen Weg, um aus dem Labyrinth herauszukommen. Man kann die Frage selbst, die zu so unbefriedigenden Antworten geführt hat, einer Prüfung unterziehen. Vielleicht stellt sich heraus, daß sie falsch ist, daß sie auf falschen Voraussetzungen beruht. Dann ist es kein Wunder, wenn alle Antworten sinnlos ausfielen, die man auf diese Frage zu geben versuchte."

Bis ins Alter wird Günther nicht müde, diesen Satz zu zitieren, liegt doch in anderer Formulierung sein Programm darin begründet: Verwerfung der schlechten Alternative insgesamt; Rejektion, Transjunktion, wie es später heißen wird.

Den Austieg aus diesem Systemzwang der Alternativlogik, sich also in bloßer Affirmation und Negation zerreiben zu müssen, wird ihm von anderer Seite noch ein zweites Mal, auch während der Schulzeit, angetragen. Oswald Spenglers "Untergang des Abendlandes" (1918) beeindruckt den Schulabgänger Günther in der nüchternen Morphologie einer dem (nach Aufstieg und Höhepunkt) notwendig dem Verfall überantworteten Kultur. Auch hier die Grenze als bestimmendes Thema; die thematische Verausgabung des historischen Subjekt, die ihm allein den Regreß in den Naturzustand erübrigt. "Der Mensch hat", so faßt es Günther in einem unveröffentlichten Manuskript (ca. 1970) prägnant zusammen, "im wahrsten Sinne den objektiven Geist aufgegeben." (Das Ende das Idealismus. (EdI) Kein produktives Ziel steht mehr aus, an dem eine geschichtseröffnende Dynamik sich entfachen könnte.

Am Ende des Ersten Weltkriegs mögen solche Pessismismen von nachhaltiger Überzeugungskraft gewesen sein, doch versagt Günther ein untergründig empfundenes Gefühl, dem vollkommenen Defätismus Gefolgschaft zu leisten. Er, dessen erstes Ziel es immer gewesen sei, "ein Gelehrter und nichts anderes zu werden" (SD 3) nimmt so die Studien in einer eigenartigen Ambivalenz auf: Richtig anerkennt er die negative Skizze Spenglers, falsch empfindet er die Konsequenz, weiß er seit Heim, daß vielleicht die projektierte Fragestellung falsch, oder noch gar nicht gestellt ist.

In Berlin, wo er nach einem ökomischen Engpaß 1922 das akademischen Leben wieder aufnimmt, soll sich die diffus erhoffte dritte Möglichkeit in Ansätzen zeigen. Hier vertieft er sich in Logik, sie allein scheint die Strenge und Exaktheit bereitzuhalten, nach der er im philosophischen Diskurs vergeblich sucht. Hier ist es dann auch, wo er an seinem eigenen, die Zukunft weisenden Fundament arbeitet: die Verbindung von klassisch-philosophischer Ausbildung mit profunder Kenntnis mathematisch-formaler Logik wird das Werkzeug, mit dem er die Grenzen zu verschieben sich aufmacht.

Und Grenzen gibt es zu Hauf, die Wortführer der Philosophie sind im ersten Viertel des Jahrhunderts an nichts mehr interessiert, als der endgültigen Lösung der von Günther beschworenen Verbindung. Wir erinnern:

Heidegger eröffnet fulminant mit "Sein und Zeit" (1927), Carnap kontert mit "Der logische Aufbau der Welt" (1928), Heideggers setzt nach, in "Was ist Metaphysik" (1929) bezweifelt er die Unantastbarkeit der von ihm stets in Anführungsstriche gesetzten Logik. Die Antwort gibt er selbst:

"Wenn so die Macht des Verstandes im Felde der Fragen nach dem Nichts und dem Sein gebrochen wird, dann entscheidet sich damit auch das Schicksal der Herrschaft der 'Logik' innerhalb der Philosophie. Die Idee der 'Logik' selbst lößt sich auf im Wirbel eines ursprünglicheren Fragen ... Der Verdacht gegen die 'Logik', als deren folgerichtige Ausartung die 'Logistik' gelten darf, entspringt dem Wissen von jenem Denken, das in der Erfahrung der Wahrheit des Seins, nicht aber in der Betrachtung der Gegenständlichkeit des Seienden, seine Quelle findet. Niemals ist das das exakte Denken das strengste Denken [...] Das exakte Denken bindet sich lediglich in das Rechnen mit dem Seienden und dient ausschließlich diesem." (33, 48)

Zwei Jahre später empfiehlt Carnap die "Überwindung der Metaphysik durch logische Analyse der Sprache." (Erkenntnis II. 1931). Ebenda wettert Carnap:

"Die Metaphysik gilt uns nicht als 'bloßes Hirngespinst' oder 'Märchen'. Die Sätze eines Märchens widerstreiten nicht der Logik, sondern nur der Erfahrung: sie sind durchaus sinnvoll, wenn auch falsch. Die Metaphysik ist kein 'Aberglaube'; glauben kann man an wahre oder falsche Sätze, aber nicht an sinnlose Wortreihen." Und voll der Hähme fährt er etwas weiter fort. "Vielleicht ist die Musik das reinste Ausdrucksmittel für das Lebensgefühl, weil sie am stärksten von allem Gegenständlichen befreit ist. Das harmonische Lebensgefühl, das der Metaphysiker in einem monistischen System zum Audruck bringen will, kommt klarer in Mozartscher Musik zum Ausdruck. Und wenn der Metaphysiker sein dualistisch-heroisches Lebensgefühl in einem dualistischen System ausspricht, tut er dies vielleicht nur deshalb, weil ihm die Fähigkeit Beethovens fehlt, dieses Lebensgefühl im adäquaten Medium auszudrücken. Metaphysiker sind Musiker ohne musikalische Fähigkeit." (232, 240)

Die Grenzen also sind fest gemauert, man bestreitet sich wechselseitig Anspruch und Relevanz, adäquate Methodik, letztlich sogar den Gegenstand. Günther konzediert in "Logistik und Transzendentallogik" (1940) dementsprechend:

"Es kann nicht vertuscht werden: Das derzeitige Verhältnis zwischen Philosophie und mathematisierender Logik ist ein außerordentlich unerfreuliches. Kenner der Literatur werden sich erinnern, daß vor nicht allzu langer Zeit einer der bedeutendsten Logistiker der Gegenwart prinzipielle Sätze aus Heideggers 'Sein und Zeit' in seine abstrakte Symbolik mit dem Resultat übertragen hat, daß von allem Tiefsinn nur ein Häufchen teils sich selbst widersprechender, teils gänzlich sinnloser Aussagen übrigbleib. Das Verfahren ist als böswillig charakterisiert worden. Völlig zu Unrecht. Denn jeder, der Wert auf Reinheit im Denken legt, wird von jedem sprachlichen Ausdruck, der mit dem Anspruch auftritt, Allgemeingültiges zu verkünden, als Mindestes verlangen dürfen, daß sich derselbe den elementarsten Gesetzen des Verstehens fügt. ... Die Gerechtigkeit fordert allerdings festzustellen, daß auf der logizistischen Seite der Schuldanteil nicht eben gering ist. Fühlt man sich doch versucht, nach der Lektüre sonst sehr beachtenswerter Veröffentlichungen der Kalkülforschung auf den jeweiligen Autor die Worte eines geistvollen Romans zu variieren: 'daß seine geisteswissenschaftliche Bildung hauptsächlich darin bestand, nichts von der Philosophie zu wissen, und daß er stolz darauf war. Schon das Wort schien ihm Schande.'

Der Schaden, der durch diese wechselseitigen Vorurteile in beiden Gruppen angerichtet wird, dürfte sich vermutlich die Waage halten. Was die Philosophie a