Brief_3: G�del-Ausgabe: (Goedel_GG_003.doc)
101 Oronoco Ave. (Apt. 2)
Sehr geehrter Herr Professor G�del:
Vor einigen Tagen erhielt ich Ihren eingehenden Brief vom 15. V., und ich m�chte Ihnen hiermit recht herzlich f�r die darin enthaltene Auskunft danken. Ihr Schreiben hat mir in der Tat einige Punkte, die mir in der Literatur unklar geblieben waren, aufgehellt. Speziell die Mengersche �u�erung, hinter der ich etwas ganz Anderes vermutet hatte. - Ich k�nnte diesen Brief damit schlie�en. Wenn ich dies aber nicht tue und Ihnen hiermit einige weitere Gedankeng�nge unterbreite, bitte ich mir zu glauben, dass ich dies mit R�cksicht auf Ihre kostbare Zeit nur �u�erst z�gernd tue. Aber ich befinde mich in einer gewissen Zwangslage. Ich bin - abgesehen von den Neo-Thomisten - so ziemlich der einzige Metaphysiker, der davon �berzeugt ist, dass man heute nicht Metaphysik treiben kann, ohne die Ergebnisse der symbolischen mathematischen Logik vorauszusetzen. Und die symbolische Logik im Neo-Thomismus (Ivo Thomas z.B.) ist meiner Ansicht nach auf einem Irrweg. Es wird dort n�mlich nicht zugegeben, dass der logische Positivismus �berzeugend demonstriert hat, dass die
klassische ontologische Meta-
|physik wissenschaftlich unhaltbar ist. Anstatt die Resultate der Logistik f�r eine
neue Metaphysik zu verwenden, versucht man dort immer noch die mittelalterliche Kirchenmetaphysik (die Fundamental-ontologie) mit mathematischer Logik zu beweisen. Auf der anderen Seite steht Heidegger, der erst k�rzlich wieder die Logistik eine "Ausartung", die sich mit einem "Schein der Produktivit�t" umgibt, genannt hat.[
1] - Von diesen Leuten her, k�nnen meine Gedanken also keine Kontrolle erfahren. Ich muss mich also schon an mathematische Logiker wenden.
Im Folgenden m�chte ich Ihnen einige grunds�tzliche Gedanken unterbreiten, in denen mich Ihr Brief noch best�rkt hat. Ich bitte Sie dieselben nur zur Kenntnis zu nehmen, und Sie brauchen diesen Brief nicht zu beantworten. Es sei denn, Sie entdecken in meinen philosophischen Theoremen etwas das positiv falsch auf der Basis Ihrer eigenen Untersuchungen und Ergebnisse sein muss. In diesem Fall w�re ich f�r einen entsprechenden Hinweis �u�erst dankbar:
Die oberste Formel der klassischen Philosophie seit Plato/Aristoteles lautet

. D. h. Sein des Seienden. Wir haben also ein zweistufiges Wissen. Empirisches Wissen vom
Seienden (Math. & Physik) und apriorisches Wissen vom
Sein (Logik & Metaphysik).[
2] Dem zweistufigen Wissen entspricht eine zweistufige Objektwelt. Wir haben erstens: den Objektraum als die Vielheit der empirischen Dinge. Dahinter aber steht als zweites, totales Objekt: das absolute Sein.
Kant hat zuerst,
transzendental gezeigt, dass das absolute Sein kein wissenschaftliches Objekt sein kann. Seine Demonstration aber war nicht �berzeugend, weil sich die Kantische Transzendentallogik nicht formalisieren l�sst. In der Logistik ist dann dasselbe Resultat erreicht worden, mit dem Hinweis darauf, dass Pr�dikatsfunktionen eine Variable enthalten und dass der Wert der Variablen nur
empirisch aufgenommen werden kann. "Sein" ist der faktische Argumentwert einer Variablen. Quine: "To be is to be the value of a variable."
Damit aber tauchte eine neue, bisher nicht dagewesene Schwierigkeit auf. Ich will sie so kurz als m�glich beschreiben. In der klassischen Tradition z�hlen das Subjekt des Denkens und der Reflexionsprozess �berhaupt nicht. Das Ziel des Denkens ist den Sinn des
absolut objektiven Seins zu fassen. Und Wahrheit bedeutet absolute �bereinstimmung des Denkens mit dem absolut objektiven Gegenstand. D.h. alle Kategorien der Logik m�ssen, wenn sie wahr sein sollen, absolut objektiv definierbar sein. Alles "Subjektive" ist schlechthin zu eliminieren.
Nun kam aber erst die Kritik der reinen Vernunft und erkl�rte: Dinge an sich sind grunds�tzlich keine Objekte des Bewusstseins. Dann kam der logische Positivismus und best�tigte: absolute Objektivit�t ist eine blo�e Fiktion. �berdies hat ca. 1930 Heisenberg in einer bedeutsamen Schrift �ber die Grundlagen der Quantenmechanik erkl�rt: "... der absolut isolierte Gegenstand hat prinzipiell keine beschreibbaren Eigenschaften mehr.[
3] D.h. die Experimentalsituation des Beobachters muss in die Beschreibung des Objekts mit hineindefiniert werden.
Sch�n, wenn das aber so ist, dass das absolut objektive
Sein nur eine Fiktion ist und wir nur
relativ objektiven Seienden begegnen, dann ist die klassische Logik im Irrtum, wenn sie annimmt, dass Objektivit�t (oder Sein) das
einzige rationale Thema des Denkens ist. Das logische Denken hat dann
zwei fundamentale Themata: 1.) das empirische (relative) Objekt und 2.) den subjektiven Reflexionsprozess; der sich selbst nur teilweise in pseudo-objektive Kategorien aufl�sen l�sst.
Diese beiden Themata aber werden in der gegenw�rtigen Logik in einer h�chst unzul�ssigen Weise miteinander vermischt. In Ihrem Aufsatz <Russell's Mathematical Logic> (Evanston & Chicago 1944)[
4] bemerken Sie sehr richtig, dass unser Ziel (aim) ist "... to set up a consistent theory of classes and concepts as objectively existing entities." (S. 152) Andererseits aber bemerken Sie in Ihrem Brief an mich, dass die Differenz zwischen klassischen und intuitionistischen Prinzipien ihren Grund darin hat "dass verschiedene Begriffe des Seins verwendet werden".
Damit aber entsteht die Frage: welcher der verschiedenen Begriffe des Seins soll den "objectively existing entities" zugrunde gelegt werden?
Die Frage ist heute nirgends zureichend beantwortet, weil man sich nicht gen�gend Rechenschaft �ber <span style="color: #0000ff; font-style: