Brief_6: G�del-Ausgabe: (Goedel_GG_006.doc)
Sehr verehrter Herr Professor G�del:
Es scheint mir ziemlich lange her seit wir miteinander korrespondiert haben. Inzwischen hat sich manches ereignet. Die Universit�t Hamburg hat mich eingeladen im kommenden Wintersemester als Gastprofessor dort in der Philosophischen Fakult�t zu lesen. Im Oktober werde ich hin�ber fahren. Als Hauptkolleg habe ich "Metaphysik der Geschichte" gew�hlt. Daneben werde ich ein Seminar f�r Anf�nger �ber moderne geschichtsphilosophische Theorien halten, und ein Seminar f�r Fortgeschrittene �ber transzendentale Logik.
Das aber nur nebenbei. Der Zweck meines Briefes ist ein anderer. Ich habe seit unserer letzten Korrespondenz einen Gedankengang ausgearbeitet, den ich Ihnen gern zur Kritik unterbreiten m�chte.
Sie stimmten mir in Ihrem letzten Briefe bei, dass die modernen Bem�hungen der mathematischen Logik im Wesentlichen eine Reflexion auf
das Denken selbst darstellen. Wenn wir darin �bereinstimmen, so sollten wir uns auch �ber das Folgende verst�ndigen k�nnen.
Die obige Einsicht zwingt uns zwischen zwei inversen Typen von Reflexion zu unterscheiden: 1) die Reflexion auf den bona fide Gegenstand, der als etwas
a limine vom Denken Unabh�ngiges gedacht wird, und 2) die Reflexion auf das Reflektieren in 1).
Es ist unvermeidlich, dass diesen beiden Reflexionstypen zwei grunds�tzlich verschiedene Konzeptionen des Begriffes <logischer Gegenstand> entsprechen m�ssen. Diese Unterscheidung wird aber in der heutigen Logik noch nicht durchgef�hrt.
Ich will zeigen, was ich meine. Die beiden logischen Gegenst�nde m�ssen verschiedenen Identit�tscharakter haben. In der Terminologie der �lteren logischen Tradition:[
1] der Gegenstand der Reflexion 1) hat Seinsidentit�t; der Gegenstand der Reflexion 2) aber hat Reflexionsidentit�t. Der Unterschied findet sich, meines Wissens nach, zum ersten Mal bei Hegel formuliert. Im Anschluss daran haben Sigwart und Benno Erdmann dann analysiert, was Seinsidentit�t logisch eigentlich bedeutet. Ihr Resultat: Mit sich selbstidentisch sein hei�t f�r den Gegenstand, dass derselbe durch den Denkakt, der sich mit ihm besch�ftigt,
nicht ver�ndert wird. Seine (logischen) Eigenschaften bleiben dieselben, gleichg�ltig, ob er gedacht oder nicht gedacht wird.
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