Diskontexturalit�ten: Wozu neue Formen des Denkens?

Zur Kritik der logischen Voraussetzungen der Second Order Cybernetics und der Systemtheorie.

copyright 1996 dr. rudolf kaehr


Es braucht nicht blo� einer gelangweilten Laune oder einem postmodernen Habitus eines Denkers zu entsprechen, wenn in bewu�ter Zitation unverd�chtiger Zunftgenossen hier experimentell davon ausgegangen wird, da� alles was gesagt werden kann schon gesagt wurde, da� alles Sagbare in der einen oder anderen Weise, in dem einen oder anderen Medium zur Verf�gung steht, da� es �ber das eine oder andere Netz abrufbar ist, da� also nichts Neues mehr gesagt werden kann, und da� es auch nicht n�tig ist und vorallem nicht nottut etwas Neues zu sagen.

Es bleibt jedoch, so k�nnte behauptet werden, f�r denjenigen, der sich nicht archivistisch oder propagandistisch mit dem Bestehenden besch�ftigen und unterhalten will, immer noch die M�glichkeit, sich daf�r zu verwenden, sich darin zu verausgaben oder auch zu verschwenden, zu zeigen wie etwas Neues getan werden k�nnte. Gewi� w�re ein solches Tun nicht frei von Naivit�t angesichts dessen, was bisher in der Geschichte schon getan wurde.

Ein Weg etwas zu tun, scheint der zu sein, sich direkt mit sich selbst zu besch�ftigen mit dem Ziel sich zu Gunsten eines neuen Weltbildes zu ver�ndern. Dies scheint es zu sein, was die verschiedenen Aktivit�ten im Bereich der Mentaltrainings motiviert. Es wird durch verschiedene Trainingsmethoden und Meditationen versucht sich zu sich zu f�hren, in der Hoffnung, sich f�r sich selbst und f�r andere zu �ndern. Die dazu passenden Theorien bzw. Theoriefragmente spielen dabei eine sekund�re Rolle und dienen einzig pragmatischen und orientierenden Bed�rfnissen.

Rede und Schrift

Ein anderer Weg etwas zu tun scheint die philosophisch-poetisierende Sprech- und Schreibweise zu bieten. Es kann gesprochen und geschrieben werden, ohne da� dabei etwas Fa�bares, Informatives, Objektivierbares ausgesagt werden mu�. Im Gegenteil, es scheint hier m�glich zu sein, weit �ber den Bereich des Objektiven und Rationalen aber auch des Fiktiven und Phantastischen hinaus Welten zu er�ffnen, die nur durch einen wilden, nicht mehr von Grammatik, Logik und Rhetorik geregelten Gebrauch der phonetischen Schreibsysteme er�ffnet werden. Hier wird weniger etwas gesagt als gezeigt, wie etwas gesagt werden kann, was nicht mehr gesagt werden kann. Das Sagen geht �ber in das Schreiben und das Spiel zwischen phonetischer Schreibweise und begrifflicher Semantik wird zu Ende gef�hrt.

Neben dem Sprechen und seiner Niederschrift gibt es das Rechnen, die Manipulation von syntaktischen Zeichen und Symbolen. Bekanntlich l��t sich �ber das Rechnen nichts erz�hlen. Rechnen ist Schreiben und unterliegt st�rker den Gesetzen der Schrift denn der Rede und ihrer Niederschrift. Mathematik und Rechenkunst erz�hlen keine Geschichten – auch wenn sie selbst in Geschichten verstrickt sind. Durch ihre Operationalit�t und –konomie machen sie jedoch Geschichte.

Mathematische Strukturen und deren Institutionen bzw. Implementierungen sind mit der erz�hlbaren Geschichte – d.h. der Menschheitsgeschichte – nicht verwoben, sie scheinen �ber ihr zu schweben. Sie haben zwar durchaus ihre Geschichte, etwa die Entwicklungsgeschichte der Zahlentheorie, doch l��t sich �ber die Arithmetik der Zahlen nichts erz�hlen. Daher lassen sich in ihr selbst auch keine Fragen stellen, etwa nach dem Woher und der Legitimation mathematischer Grundformen. Gewi� kann, wie etwa in der Philosophie der Mathematik oder in der Metamathematik �ber die Mathematik gesprochen werden.

Etwas Neues w�re es, wenn das Rechnen selbst erz�hlbar und das Erz�hlen selbst rechenbar w�rde. Dies k�nnte gelingen, wenn beispielsweise eine Vielzahl von qualitativ verschiedenen Zahlensystemen eingef�hrt w�rden. Das Rechnen im jeweiligen Zahlensystem w�rde weiterhin stumm vollzogen werden, der šbergang jedoch von einem Zahlensystem zum andern m��te kommentiert, erz�hlend motiviert werden und k�nnte, da das Rechnen nur innerhalb der Zahlensysteme geregelt ist, nicht selbst wieder berechnet werden. Es kann also, werden nicht Schriftsysteme eingef�hrt, die jenseits der Dichotomie von Rede und Schrift lokalisiert sind, wie etwa die Kenogrammatik, nur erz�hlt und nicht mehr berechnet werden wie Zahlen ihre Systeme wechseln, woher sie kommen und welche Geschichte sie mit sich bringen.

W�re diese Verbindung von Zahl und Begriff m�glich, w�re die Dichotomie von Analytik und Hermeneutik so vemittelt, da� sie sich gegenseitig befruchten k�nnten und die Paralyse der gegenseitigen Abgrenzung und Tabuisierung �berwunden w�re. Erst dann h�tten die anspruchsvollen Visionen der KI-Forschung, Robotik und Artificial Life Projekte eine Realisierungschance.

Das Denken denken

Das Tun mu� sich nicht notwendigerweise auf etwas Gegenst�ndliches und K�rperliches beziehen, es kann sich auch auf das Denken selbst beziehen, indem es seine eigenen Voraussetzungen, seine Art des Zeichengebrauchs bzw. seine Unterscheidung von Rede und Schrift, von Begriff und Zahl reflektiert und transformiert. Dies f�hrt allerdings sehr schnell zu �usserst negativen Erfahrungen. Das Denken des Denkens f�hrt zu einem infiniten Regre� oder auch Progre�, jedoch zu keinem Abschlu�. Es ist unverf�nglicher einfach zu denken oder das Denken im kybernetischen Artefakt wenigstens partiell zu simulieren als das Denken als Denken selbst in den Griff zu bekommen. Der so erlangte Begriff des Denkens w�re selbst wiederum nur Teil des Denkens und das Denken als Ganzes w�re nicht erfa�t. Das G�delsche Theorem sorgt hier f�r die Autonomie des kreativen menschlichen Denkens der Erfassung des Denkens in Symbolsystemen und symbolischen Maschinen gegen�ber. Die Grenzen der menschlichen Formalisierungsf�higkeit werden hier zugunsten einer extra-mundan fundierten Intuition akzeptiert.

Statt die Welt oder sich selbst zu ver�ndern, w�re hier die Notwendigkeit gegeben, das Denken selbst zu ver�ndern. Ein ver�ndertes Denken jedoch w�rde in ungeahnterweise den Denkenden selbst und seine Welt ver�ndern.

Komplexit�t vs. Eindeutigkeit mathematischer Schriftsysteme

Mathematische Schriftsysteme sind notwendigerweise der Forderung an Eindeutigkeit und Identit�t ihrer Zeichen unterworfen. Berechenbarkeit und Strukturbestimmungen realisieren sich einzig im Medium der Eindeutigkeit. Jeder Versuch auf einer basalen Ebene irreduzible Vielheit, Mehrdeutigkeit, Parallelit�t und Kooperation einzuf�hren, scheitert aufgrund dieser prinzipiellen Eindeutigkeit der Formalismen. Multiple Strukturen und Prozesse sind nur als abgeleitete theoretische Konstrukte jedoch nicht als Grundstrukturen der Formalismen definierbar.

Dagegen sind begriffliche Beschreibungen von komplexen Systemen, insbesondere das Denken des Denkens, das Denken selbst grunds�tzlich vieldeutig, zirkul�r, paradoxal.

Daraus entsteht der Konflikt zwischen Begrifflichkeit und Berechenbarkeit. Solange die Kluft zwischen Begriff und Zahl nicht vemittelt ist, bleiben die Visionen k�nstlicher Intelligenz und artifizieller lebender Systeme wie sie von der KI und der Artificial Life-Forschung intendiert werden prinzipiell unrealisierbar.

Von mathematischer Seite sind hier die Angebote der Fuzzylogik, der verschiedenen Theorien selbstorganisierender und chaotischer Systeme usw. zu nennen, die von Seiten begrifflich arbeitender Systemtheoretiker in ihrer Metaphorik aufgenommen, ge- und verbraucht wurden.

Die Grundsituation, da� die komplexen begrifflich fundierten Einsichten in das Verhalten von Systemen im Proze� der Operationalisierung nivelliert werden, bleibt dabei unver�ndert bestehen.

Kompliziertheit vs. Komplexit�t

Es wird gesagt, ein System sei komplex, seine Komplexit�t sei reduzierbar, erzeuge Paradoxien; ein System sei komplex, wenn es eine grosse Anzahl von Elementen aufweise, die in einer grossen Zahl von Beziehungen zueinander stehen k�nnten usw. Von der Komplexit�t eines Systems wird so gesprochen, als w�re sie eine Eigenschaft des Systems, die erh�ht oder reduziert werden kann. Durch diese Pr�dikation wird zwangsl�ufig eine dichotomisierende Logik induziert. Das Pr�dikat “komplex” trifft dabei auf das System zu oder nicht – tertium non datur. Von welchem Standpunkt aus diese Pr�dikation vollzogen wird, ist im Sprachrahmen dieser Logik selbst nicht mehr formulierbar. Der Standpunkt von dem aus eine Pr�dikation vollzogen wird, mu� nicht ber�cksichtigt werden, denn nicht er, sondern das System ist Thema der Pr�dikation und es gilt, da� es komplex ist oder nicht. Dies hat G�ltigkeit f�r jeden m�glichen Standpunkt der Beschreibung des Systems. W�re dem nicht so, w�re ja die Pr�dikation “komplex” rein subjektiv und der Willk�r unterworfen. D.h. ein System k�nnte dann f�r den einen komplex und f�r den anderen nicht komplex sein. Die Logik, die die Pr�dikation regelt ist eine Logik ohne ein Subjekt, das denkt oder spricht. Sie gilt f�r einen und nur einen allgemeinen formalen Zusammenhang (Kontextur); sie wird daher als monokontextural bestimmt.

Nun entspricht es gerade der allt�glichen Erfahrung, da� kein allgemeiner und verbindlicher Standpunkt gefunden werden kann, und da� f�r den einen ein System als komplex und f�r den anderen das gleiche System als nicht komplex erscheint. Beide wollen miteinander kooperieren, sind aber aus guten Gr�nden nicht bereit ihren Standpunkt aufzugeben. Statt sich nun mit Wiederspr�chen, Paradoxien und anderen Unvert�glichkeiten zufriedenzugeben, scheint es sinnvoll zu sein, nach einer Logik zu fragen, die mit verschiedenen, gegens�tzlichen und miteinander kooperierenden Standpunkten bzw. Kontexturen zu arbeiteten in der Lage ist.

Vom Standort der polykontexturalen Logik – einer Logik, die mit einer Vielheit von Kontexturen arbeitet – ist das Wort “komplex” nicht einfach ein Adjektiv wie “rot” oder “bitter”, sondern ein Reflexionsbegriff, d.h. ein von einem Standpunkt abh�ngiger Begriff wie “oben – unten”, “links – recht”, “qualitativ – quantitativ”, “offen – geschlossen”. Es gibt wenig Sinn etwa pr�dikativ zu sagen `die Kirche steht links' ohne dabei den Standort mitanzugeben, von wo aus die Kirche links und nicht rechts steht. Das Komplement�rwort zu “Komplexit�t” ist danach nicht “Einfachheit”, sondern “Kompliziertheit”, bzw. “Komplikation”. Komplexit�t ist ein qualitativer und Kompliziertheit ein quantitativer systemtheoretischer Begriff.

Komplexit�t gibt an wie viele irreduzible Qualit�ten bzw. Kontexturen im Spiel sind. Jede dieser Kontexturen besitzt ihre eigene Logik und Arithmetik und ihre Regeln des Zusammenspiels mit ihren benachbarten Kontexturen. Da diese zugleich gelten ist die Ordnung zwischen den Kontexturen nicht hierarchisch (untergeordnet), sondern heterarchisch (nebengeordnet).

Die Kompliziertheit ist ein Ma�, das angibt, wieviele Variablen innerhalb einer jeweiligen Kontextur zur Beschreibung der quantitativen Verh�ltnisse des Systems ben�tigt werden. Die Komplexit�t gibt an, wieviele unabh�ngige Standpunkte bzw. Kontexturen im Spiel sind.

Kontextur vs. Kontext

Unter logischer Kontextur [Kontextur (veraltet) Verbindung, Zusammenhang] “ist folgendes zu verstehen: Die klassische Logik als geschlossene Kontextur ist ein zweiwertiges System, das durch die Prinzipien der irreflexiven Identit�t, des verbotenen Widerspruchs und des ausgeschlossenen Dritten bestimmt ist. Was dieses System nun zur Kontextur in dem von uns intendierten Sinne macht, ist ein zus�tzliches Postulat, das dem `tertium non datur' attachiert werden mu�. Wir stipulieren n�mlich, da� die Alternative von Affirmation und Negation so universal sein mu�, da� sie durch keinen h�heren Bestimmungsgesichtspunkt von Positivit�t und Negativit�t in der denkenden Reflexion šberboten werden kann.

Das bedeutet, da� der Regre� der Formalit�t, was seinen Inhalt betrifft, unendlich ist; als logisches Strukturgebilde ist aber ein solches System formal endlich. Es hat eine Strukturschranke, die nicht �bersteigbar ist, denn die Hierarchie der m�glichen Formulierungen des `tertium non datur' ver�ndert und erweitert ja nicht die Struktureigenschaften des Systems.

Unter Kontextur verstehen wir also einen zweiwertigen Strukturbereich, dem zwar durch seine Zweiwertigkeit eine strukturelle Schranke gesetzt ist, dessen Inhaltskapazit�t und Aufnahmef�higkeit jedoch unbegrenzt ist.”

“Und da Einheit sich auf zweierlei Weise behandeln l��t, je nachdem, ob sie im Bereich der Qualit�t oder im Bereich des Quantums auftritt, war es notwendig, einen operativen Begriff einzuf�hren, der die Differenz von Qualit�t und Quantit�t zu �berbr�cken f�hig ist. Darin besteht die Funktion der Kontextur-idee. Universalkontexturen repr�sentieren erstens qualitative Unterschiede und zweitens sind sie als solche Einheiten.” (Gotthard G�nther, Bd.2, 277)

� Zur Polykontexturalit�t

- Es wird also nicht eine Differenz, eine Unterscheidung eingef�hrt wie im Calculus of Indication von G. Spencer Brown, sondern simultan eine Vielheit von zugleich geltenden Differenzen.

- Die Differenz zwischen Operator und Operand ist nicht konstitutiv, denn eine Operation ist immer einzig bestimmt als Ordnungsverh�ltnis zwischen Operator und Operand, es gibt im logozentrischen Konzept von Operation und Operativit�t keinen Wechsel zwischen Operator und Operand.

- Ebenso kommt die Operativit�t eines Operators nie zur Inskription; die Operativit�t erlischt im Produkt der Operation.

- Kontexturen sind Sammelbecken f�r Kontexte beliebiger Komplexit�t und Kompliziertheit.

Polykontexturalit�tstheorie und Paradigmenwechsel

In der Spannung zwischen Entt�uschungen �ber die Leistungsf�higkeit bestimmter quantitativer und formaler Methoden einerseits und Erwartungen gegen�ber holistischen Ans�tzen andererseits, entstanden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Leitbegriffe wie Ganzheitlichkeit, Rekursivit�t, Komplexit�t, Selbstreferentialit�t. Die neuen Begriffe wekken durchaus berechtigte Hoffnung, lassen es bisher offen, wie sie einer akzeptablen Explikation und einer nicht-reduktionistischen Operationalisierung zug�nglich zu machen sind.

Diese Situation ist nicht neu: Strukturelle Probleme, die sich bereits in der Quantenmechanik, (Meta)mathematik, Philosophie und den Sozialwissen schaften zeigten, waren dort jedoch nur f�r Spezialisten von Bedeutung. Neu dagegen ist, da� sich seit etwa den siebziger Jahren ein breiter begrifflicher Katalog an Konzepten, Argumentationen und Formalisierungsans�tzen ausdifferenziert hat, der es vereinfacht, diese tendenziell transklassischen Begrifflichkeiten zu analysieren, gegeneinander abzugrenzen, miteinander zu verbinden ohne dabei die grunds�tzliche Intention einer šberwindung mechanistischer Implikationen aus den Augen zu verlieren.

Beispielhafte Gegen�berstellung klassischer und transklassischer Begriffe

Soll der paradigmatische Umbruch anhand der terminologischen Neubesetzung skizziert werden, so ergibt sich folgendes Bild:

Monotonievs. Selbstreferentialit�t

Hierarchie vs. Heterarchie, Komplexit�t Heterologie vs. Autologie,

Zirkularit�tvs. Chiasmus

Eindeutigkeit vs. Ambiguit�t, Amphibolie, irreduzible Polysemie

Beweisbarkeitvs. Antinomie

Vorhersagbarkeit vs. Emergenz

Selbstorganisation vs. Autopoiese

Exo--vs. Endo-Deskription

Mono-vs. Polykontexturalit�t

Mechanismus vs. Holismus

Linearit�t vs. Tabularit�t

Ein Katalog zeitgen�ssischer Richtungen zum Paradigmenwechsel

Zur Erinnerung an die F�lle der seit den siebziger Jahren entstandenen verschiedenen Ans�tze, die zu einer šberwindung der oben aufgelisteten Gegens�tze ansetzen, sollen hier erinnert werden:

1. Theorie autopoietischer Systeme (Maturana, Varela)

2. Synergetik (H. Haken), Theorie dissipativer Systeme (Prigogine)

3. Theorie der Selbstorganisation und Emergenz

4.Second Order Cybernetics:

Konversationstheorie (G. Pask),

Theorie des Beobachters (H. v. Foerster),

Autologie und Komplementarit�t (L. L�fgren))

5. Radikaler Konstruktivismus (von Glasersfeld)

6. Polykontexturalit�tstheorie transklassische Logik (G. G�nther)

7. Theorie der Beschreibung in Endophysik und Quantenlogik (Primas)

8. komplexe Systemtheorie (R. Rosen)

9. Hierarchie-Theorie (Pattee)

10. Theorie des Unterscheidens (Bateson, Spencer Brown, Luhmann)

11. Holismus (v. Bertalanffy, Spann)

12. Dekonstruktivismus (Derrida, Culler)

Leider bleiben diese Ans�tze weitgehend partiell und lokal und scheitern sp�testens am Anspruch einer Operationalisierung und Formalisierung ihrer basalen Begrifflichkeiten. Ebenso sind sie nicht in der Lage ein umfassendes und integratives konzeptionelles Modell zu entwerfen, das einer inter- und transdisziplin�ren Forschung als Leitfaden, Orientierungs- und Verst�ndigungsmodell bzw. als neues Paradigma dienen k�nnte.

D.h. sie erf�llen nur partiell elementare Kriterien transklassischer, d.h. anti-reduktionistischer und komplexer Begriffsbildung wie die der “Erz�hlbarkeit”, Formalisierbarkeit, Implementierbarkeit und der Realisierbarkeit.

Ein Kriterium f�r die Relevanz eines neuen Formkonzepts ist die Frage nach seiner Einbettbarkeit im Sprachrahmen des Logozentrismus.

Ich unterscheide dabei zwei Strategien a) die Simulation b) die Subversion bzw. die Dekonstruktion. Zur Simulation geh�ren die Konzepte �Katastrophe`, �re-entry`, �Synergetik`, zur Dekonstruktion z�hle ich �diff�rance` und �proemial relationship`, �Kenogramm`, �Kontextur`.

Second Order Cybernetics und Polykontexturalit�tstheorie

Ist im deutschsprachigen Raum Kybernetik eine technische Wissenschaft der informationellen Steuerung und Regelung von Systemen in Absehung der Aktivit�t des Designers, so unterscheidet sich die amerikanische Second Order Cybernetics – aber auch die ehem. sowjetische – radikal von dieser dadurch, da� sie eine Reflexion auf die logisch-strukturellen Grundlagen einer Einbeziehung des Designers in die Beschreibung von lebenden Systemen in Gang gesetzt hat.

Diese Arbeiten wurden in den sechziger und siebziger Jahren am “Biological Computer Laboratory” (BCL) der Universit�t von Illinois in Urbana, USA, 1956-1974 geleistet und haben einen Paradigma-Wechsel in der allgemeinen kybernetischen System- und Strukturtheorie eingeleitet, der erst heute seine Auswirkungen zeitigt.

Gemeinsam am BCL sind entstanden: die Second order Cybernetics (Heinz von Foerster, Lars L�fgren, Gordon Pask), die Theorie autopoietischer Systeme (H. Maturana, F. Varela) und auch die Theorie polykontexturaler Systeme (Gotthard G�nther). Dazu geh�ren auch die Pionierarbeiten zur Kybernetik, Systemtheorie, Selbstorganisationstheorie (Ashby) und der “Neuroinformatik” (damals: Bionik).

Konstruktivismus und die Theorie autopoietischer Systeme

Beide haben viel zur Kl�rung der Standpunktabh�ngigkeit unseres Wissens geleistet indem sie die Systemtheorie um eine Theorie des Beobachters erg�nzt haben. Es ist nicht grunds�tzlich gelungen, den durch die Einf�hrung des Beobachters induzierten Solipsismus- und Relativismusverdacht zu entkr�ften. Der Hauptgrund f�r diesen Mangel besteht darin, da� es dem Konstruktivismus und verwandten Theorien nicht gelungen ist, den Beobachter selbst zu relativieren. Die Beobachtertheorie geht formal von einem und nur einem Beobachter aus. Dieser eine und einzige Beobachter l��t sich zwar in seinen Beobachtungsfunktionen iterieren indem er Beobachtungen von Beo-bachtungen usw. generiert. Doch die Beobachter zweiter, dritter usw. Stufe folgen einander sukzessiv, sie sind nicht zugleich als Beobachter gleicher Stufe in Aktion. Nur wenn mindestens zwei Beobachter gleichwertig bzw. gleichurspr�nglich simultan und parallel agieren, haben sie die M�glichkeit die Relativit�t ihrer jeweiligen Standpunkte gegenseitig zu reflektieren.

Die M�glichkeit der Ent–deckung des blinden Flecks ist in der Polykontexturalit�tstheorie dadurch gegeben, da� zur Bestimmung eines Objekts eine Vierheit von Positionen im Spiel ist, die sich gegenseitig und gegenl�ufig die M�glichkeiten der Ent–dekkung der jeweiligen Ver–deckung zuspielen.

In den neueren Arbeiten Luhmanns ist diese Problematik aufgenommen worden und es wird eine Verteilung der Beobachter vorgeschlagen, einerseits in der Zeitdimension und andererseits im sozialen Raum. Damit verlagert sich die Problematik von der Theorie der Beobachtung in die Theorie der Voraussetzungen der Beobachtung; n�mlich in die Problematik von Raum und Zeit. Diese k�nnen jedoch nicht problemlos vorausgesetzt werden, sondern sind selber wieder abh�ngig von der Operation der Beobachtung.

In der KI-Forschung wird etwa die Mehrsorten-Logik zur Einf�hrung von Kontexten untersucht. Sie bietet einen gewissen Spielraum f�r verschiedene Bereiche und Parallelismen, verbleibt jedoch im Rahmen der monokontexturalen Logik. D.h. die Mehrsorten-Logik hat keine h�here logische Ausdruckskraft als eine ein-sortige, sie ist durch diese modellierbar.

Es ist das allgemeine Dilemma monokontexturaler Formalismen, Kalk�le und Programmiersprachen, da� ihre konzeptionelle Vielheit immer formal auf Einheit reduzierbar ist.

Die polykontexturale Logik bietet den Sprachrahmen zur Formulierung, Formalisierung und Implementierung solcher komplexer paradoxaler und selbst-bez�glicher Begriffsbildungen. So wird sie in avancierteren europ�ischen Arbeiten im Bereich der Robotik, zur Modellierung von Multi-Agenten eingesetzt.

Zur Logik der Vexierbilder

Kippbilder werden immer wieder als Beispiele angegeben, um Oszillationen, Selbstorganisation und Ambivalenzen jeglicher Art zu illustrieren. Hier soll nicht der informationstheoretische oder gestaltpsychologische Effekt beschrieben werden, sondern beispielhaft der Mechanismus der Einbeziehung des Beobachters in die Beobachtung gezeigt werden. Welche Standpunkte m�ssen eingenommen werden, damit der Proze� des Kippens vollst�ndig beschrieben ist? Es soll also nicht eine externe Beschreibung des Kippverhaltens, sondern die immanenten Mechanismen unter Einbeziehung des Beobachtungsprozesses skizziert werden. Vexierbilder fungieren dabei als Illustration einfachster, n�mlich zweiseitiger Reflexionsbegriffe.

Es soll hier daf�r argumentiert werden, da� der Mechanismus des Oszillierens bzw. der Symmetriebrechung einer Zwei-Seiten-Form zur vollst�ndigen Strukturbeschreibung insgesamt sechs Standpunkte bzw. Thematisierungen involviert.

Beispiel: die Vase/Gesicht-Figur

1. Thematisierung der ersten H�lfte (= Vase)

2. Thematisierung der zweiten H�lfte (= Gesicht)

3. Kippverh�ltnis von 1. und 2. (Vase/Gesicht)

4. Thematisierung der Inversion von 1. und 2. (Gesicht, Vase)

5. Kippverh�ltnis von 4.1 und 4.2 (Gesicht/Vase)

6. Verh�ltnis der Kippverh�ltnisse 3. und 5. ((Vase/Gesicht)/(Gesicht/Vase))

1.Zur Beschreibung der Wahrnehmung der Figur beginnen wir willk�rlich mit der Thematisierung des Bildes als Vase. Die Vase l��t sich pr�dikativ beschreiben, sie hat eine gewisse Kompliziertheit. Das Gesicht bleibt latent, es ist der bewu�ten Wahrnehmung verborgen. Der Einfachheit wegen sei die Vase auf der rechten Seite.

2. Wegen der Instabilit�t der Zwei-Seiten-Form ist die Wahrnehmung gekippt: es wird jetzt das Gesicht wahrgenommen und beschrieben.

3. Beide Beschreibungen sind gleichwertig. Dies wird vom 3. Standpunkt aus erkannt. Er liefert das Scharnier des Kippverhaltens. Von ihm aus wird wahrgenommen, da� sich die Focussierung wieder wechselt, nun von links nach recht, vom Gesicht wieder zur Vase. Dieser Wechsel ist sukzessiv und macht die (rechtsl�ufige) Oszillation der Wahrnehmung aus.

4. F�r die Figur selbst ist es irrelevant, ob erst die rechte und dann die linke Seite thematisiert wird. Der Kreis in 3. kann genau so gut auch entgegengesetzt ablaufen. Simultan zur Wahrnehmung des Gesichts kann die Vase wahrgenommen werden und umgekehrt, jedoch nicht vom 3. Standpunkt aus.

5. Die Situation des 3. Standpunkts wird hier invers dargestellt. Das Spiel beginnt von links, vom Gesicht aus.

6. Die Standpunktinvarianz des Kippverhaltens wird von der 6. Position aus registriert, d.h. hier wird die Gleichwertigkeit und Simultaneit�t der 3. und 5. Position abgebildet. Hier wird die Differen der Differenzen von Vase und Gesicht dargestellt. Die Zirkularit�t wird unabh�ngig von der durch den Beobachter bestimmten Rechts- bzw. Linsksl�ufigkeit notiert. Somit ist die Figur wie auch die T�tigkeit des Observers, d.h. die Observation strukturell vollst�ndig beschrieben.

Durch den Durchgang durch alle strukturell m�glichen `subjektiven' Beschreibungen durch den Observer wird das Objekt der Beschreibung `objektiv', d.h. observer-invariant `als solches' bestimmt. Das Objekt ist also nicht blo� eine Konstruktion der Observation, sondern bestimmt selbst wiederum die Struktur der Subjektivit�t der Observation durch seine Objektivit�t bzw. Objektionalit�t. Der auf diesem Weg gewonnene Begriff der Sache entspricht dem Mechanismus des Begriffs der Sache und wird als solcher in der subjekt-unabh�ngigen Morphogrammatik inskribiert.

Chiasmus vs. Zirkularit�t: Nicht jeder Kreis geht rund

Am Beispiel der Kippfigur ist einsichtig geworden, wie sich Selbstbez�glichkeit bzw. die Einbeziehung des Beobachters in den Proze� der Beobachtung, das Hauptanliegen der Second Order Cybernetics, einf�hren l��t, ohne da� dabei auf Zirkularit�t gesetzt werden mu�. In einer allgemeineren philosophischen Terminologie, l��t sich der Mechanismus des Selbstbezugs anhand der Begriffe “Operator, Operand, Ort” darlegen.

Pr�dikative Argumentationen – kodifiziert in der Pr�dikatenlogik und den logischen Programmiersprachen – , und diese bestimmen die abendl�ndische Rationalit�t, haben den Vorteil, da� sie das Objekt, das sie pr�dizieren letztlich immer schon voraussetzen k�nnen; kulturgeschichtlich macht dies ihre Erd- und Menschengebundenheit aus. Anders ist die Situation im `freien Raum', hier mu� alles gesetzt und nichts kann vorausgesetzt werden. D.h. was Grund und was Begr�ndetes ist, mu� chiastisch vermittelt werden. Die Metapher des freien Raumes ist gewi� nicht blo� auf extra-terrestrische Situationen bezogen, sondern trifft zu auf jede einfache Vorausgesetztheit irdischen Ursprungs. Dies kann sein der Markt, die Produktbezogenheit, die Menschheit, Zeichensysteme, Zukunft oder Komplexit�t und Sinn.

� Grund, Begr�ndetes, Ort, Operation und Vierheit

Was Grund und was Begr�ndetes ist, wird geregelt durch den Standort der Begr�ndung. Der Wechsel des Standortes regelt den Umtausch von Grund und Begr�ndetem. Es gibt keinen ausgezeichneten Ort der Begr�ndung. Jeder Ort der Begr�ndung ist Grund und Begr�ndetes zugleich. Orte sind untereinander weder gleich noch verschieden; sie sind in ihrer Vielheit voneinander geschieden. F�r die Begr�ndung eines Ortes ist eine Vierheit von Orten im Spiel. Warum jedoch eine Vierheit von Orten? Diese l��t sich ins Spiel bringen, wenn wir die M�glichkeiten der Operativit�t einer Operation uneingeschr�nkt gelten lassen.

Bei einer Operation unterscheiden wir Operator und Operand. Zwischen beiden besteht eine Rangordnung, der Operator bezieht sich auf den Operanden und nicht umgekehrt. Diese Hierarchie ist bestimmend f�r alle formalen Systeme und erf�llt die Bedingungen logozentrischen Denkens. Wollen wir aber selbstbez�gliche Strukturen erfassen, so haben wir vorerst zwei zirkul�re M�glichkeiten: 1. was Operator war wird Operand und 2. was Operand war wird Operator. Unter den logischen Bedingungen der Identit�t erhalten wir dadurch zwei komplement�re antinomische Situationen. Obwohl zwischen Operator und Operand eine Dichotomie besteht, ist danach ein Operator genau dann Operator, wenn er Operand ist und ein Operand genau dann Operand wenn er Operator ist.

Diese doppelte Widerspr�chlichkeit, die wegen ihrer Isomorphie meistens nicht unterschieden wird, l��t sich vermeiden, wenn wir die Umtauschverh�ltnisse zwischen Operator und Operand �ber verschiedene logisch-strukturelle Orte verteilen. Diesen M�glichkeitsspielraum er�ffnet uns die Erweiterung der Unterscheidung von Identit�t und Diversit�t zur komplexen Unterscheidung von Selbigkeit, Gleichheit und Verschiedenheit.

Was Operator an einem Ort, ist Operand an einem andern Ort und umgekehrt. Damit wird die Umtauschrelation zwischen Operator und Operand nicht auf sich selbst, am selben Ort und damit zirkul�r angesetzt, sondern �ber verschiedene Orte distribuiert. Am jeweiligen Ort bleibt die Ordnungsrelation zwischen Operator und Operand unber�hrt. Der chiastische Mechanismus l��t sich bzgl. Umtausch-/Ordnungsrelation und Operator/Operand zusammenfassen: Die Ordnungsrelation zwischen Operator und Operand einer Operation wird fundiert durch die Umtauschrelation, die der Ordnungsrelation ihren jeweiligen Ort einr�umt; die Umtauschrelation zwischen Operator und Operand wird fundiert durch die Ordnungsrelation, die verhindert, da� sich der Umtausch zirkul�r auf sich selbst bezieht.

Wie leicht einsichtig, werden in diesem Chiasmus vier Orte eingenommen bzw. ge-/verbraucht. Damit sind alle strukturellen M�glichkeiten zwischen Operator und Operand im Modus von Gleichheit und Selbigkeit durchgespielt. Deshalb, und weil mit der Unterscheidung Operator/Operand eine Elementar-Kontextur bestimmt ist, beginnt die Polykontexturalit�t nicht mit Eins, sondern mit Vier; daher hier die Vierheit.

ANHANG (aus SNF-Antrag)

Zur Problematik der logisch-strukturellen KOMPLEXIT…T und ANTIZIPATION

Die Erforschung komplexer Systeme im Sinne von ROSEN (1985, 1986), d.h. nicht zu verwechseln mit der Theorie komplexer Systeme und Selbstorganisation im Sinne von SERRA, ZANARINI (1987), ist nicht nur in einer ersten Konzeptionalisierungsphase, sondern grunds�tzlich mit nahezu unl�sbaren Problemen konfrontiert. Geht es doch darum ein nicht-physikalistischen Zeitbegriff als Grundlage neuer Formalismen zu etablieren, der es erm�glicht, die Einwirkung der “Zukunft in die Gegenwart” , also Antizipation, zu denken. Damit ist ein genuin human�kologisches Problem anvisiert, denn die bestehenden systemtheoretischen Modelle (Forrester) behandeln Zukunft nur als abgeleitete Extrapolation. Umweltbewu�tsein hei�t aber, die Zukunft in der Gegenwart, als Gegenw�rtigkeit der Zukunft, denken zu k�nnen.

Es stellt sich die Frage, wie eine Logik beschaffen sein mu�, um f�r die formale Modellierung komplexer Systeme und den darin auftretenden Intransitivit�ten, Komplementarit�ten und Heterarchien ein ad�quates Organon abzugeben zu k�nnen. M.a.W., wie mu� eine Logik konzipiert sein um etwa den Problemen der formalen Intransitivit�t praxeologischer Entscheidungen – z. B. Pr�ferenzhandlungen (ARROW 1956) – gen�gen zu k�nnen?

Es ist eine der wichtigsten Leistungen der BCL-Autoren (v. Foerster, L�fgren, G�nther), da� sie gesehen haben, da� die Problematik der Komplexit�t und Antizipation nicht mit klassischen Mitteln angegangen werden kann, sondern eine Transformation im Bereich des Logischen und der Ontologie verlangt.

Da� es sich dabei um Probleme der Logik handelt, zeigt sich auch an dem Beispiel von BRAND (1980). Die Analyse komplexer Systeme - in seinem Fall das internationale politische System (Weltmodell) - f�hrt bei einer konsequenten Durchf�hrung auf Grundlagenfragen der Logik.

Ein Kontext eines komplexen Systems wird nach ihm durch ein Boolesches Modell beschrieben. Da ein komplexes System nicht durch einen einzigen Kontext vollst�ndig beschrieben werden kann, reicht ein Boolesches Modell f�r seine logische Deskription nicht aus. Daher werden mehrere Boolesche Modelle h�herer Ordnung eingef�hrt. Brand betont, da� “die Inkompatibilit�t zwischen den urspr�nglichen Kontexten nicht aus der Welt geschafft werden k�nnen, aber die Kontexte werden in dem neuen, reicheren Kontext bequemer handhabbar, ...” (Brand, p. 13). Was sich abspiegelt, ist eine sukzessive Aufhebung von Komplexit�t in Booleschen Modellen h�herer Ordnung im Sinne etwa der Russell/Whiteheadschen Typentheorie, d.h. durch Hierarchisierung. “Auf einer hierarchisch h�heren Ebene erh�lt man dabei eine klassisch logische Beschreibung, die auf der niedrigeren Ebene allein nicht m�glich ist”. (Brand, p. 13)

Obwohl Brand ausdr�cklich Komplexit�t nicht vernichten, sondern trotz ihrer Inkompatibilit�t Kontexte nur “aufheben” m�chte, l��t sich leicht zeigen, da� dies mit Hilfe der Typentheorie , wegen den Theorem der Typenreduktion, nicht zum Ziel f�hrt.

Obwohl bei der Typenreduktion die Ausdrucksf�higkeit der reduzierten Sprache erhalten bleibt, geht die Hierarchisierung in Typen verloren. Die Typenreduktion besagt gerade, da� alles, was in einem komplexen System zur Darstellung kommt, auch in einem homogenen System untergebracht werden kann.

Selbst wenn man auf die Typenreduktion verzichtet und von der vollen Typentheorie und ihrer Sprachenhierarchie ausgeht, l��t sich das Subjekt des Betrachters nicht in das System einbeziehen, da die Hierarchie nicht abschlie�bar ist und jede n.-Stufe bez�glich der n+1. -Stufe zum Objektbereich des Beobachters wird. Das Subjekt wird also sozusagen ins Unendliche abgeschoben. Dies steht klar im Widerspruch zur Behauptung, da� ein System nicht an sich, sondern f�r einen Beobachter komplex ist.

Brand sieht zwar, da� die Einbeziehung des Beobachters in die Beobachtung gegen das Prinzip der Objektivit�t verst��t �bersieht jedoch, da� die Boolesche Logik und die Typentheorie gerade die Logik der Objektivit�t sind. Die Einbeziehung des Beobachters in die Beobachtung entspricht einem Paradigmawechsel, denn das klassische Paradigma wird gerade durch Ausschlu� von Subjektivit�t zugunsten der Objektivit�t definiert.

Das Problem der Hierarchisierung h�tte statt mit der Typentheorie und ihrer Hierarchisierung der Pr�dikationsfunktion auch mit einer mehr-sortigen Logik, mit einer Kontxtlogik oder sonst einer Logik, die eine Typisierung zul��t angegangen werden k�nnen.

Von einem rein praktischen Standpunkt aus ist die Entscheidung f�r eine der genannten Logiken legitim, denn es gibt heute noch kein allgemein anerkanntes Logiksystem, das in der Lage ist, komplexe Denk- und Handlungsbegriffe, d.h. kognitive und volitive Konzepte gleichrangig nebengeordnet und nicht subsumtiv, sondern heterarchisch zu konzeptualisieren. Als Kandidat einer solchen komplexen Logik gilt weiterhin die poly-kontexturale Logik (GšNTHER 1976, 1978, 1979, 1980).

Die Option der Polykontexturalit�tstheorie

Hauptthese der Polykontexturalit�tstheorie im Zusammenhang mit den konzeptionellen Problemen der Human�kologie:

Selbstbez�glichkeit und irreduzible Polysemie (DERRIDA 1967), also Komplexit�t, sollen nicht zirkul�r und rekursiv im Modus der Identit�t (VON FOERSTER 1977) hierarchisch, sondern chiastisch (OLSSON 1991) und polykontextural (GšNTHER 1970, KAEHR 1976, 1981, 1992) , d.h. verteilt �ber mehrere Kontexturen einer Verbundkontextur, modelliert werden. Damit werden die logischen Antinomien der Zirkularit�t vermieden, ohne da� dabei die genuine Selbstr�ckbez�glichkeit der Begriffsbildung geopfert werden mu�.

Die Theorie der Polykontexturalit�t (Polykontexturale Logik, Morphogrammatik, Kenogrammatik, Disseminatorik, u.a.) hat sich nach Erfahrung des Antragstellers vielseitig bew�hrt, die oben erw�hnten Ans�tze zu einer komplexen Systemtheorie zu integrieren, aufeinander zu beziehen und konzeptuell und operational abzudecken (DITTERICH 1990, KAEHR 1992).

Eine Formalisierung polykontexturaler Zusammenh�nge kann nicht durch intra-systemische Erweiterungen einer monokontexturalen Logik realisiert werden. Formale Systeme m�ssen sich als Ganze in eine Erweiterung einbeziehen lassen, d.h. es mu� eine Vielheit von Logiken zugelassen werden. Diese Vielheit der distribuierten Logik-Systeme mu� zu einer komplexen Ganzheit, einer Verbund-Kontextur (Polykontexturalit�t) vermittelt werden.

Skizze der Konstruktion

Disjunkte Logik-Systeme sollen �ber eine Indexmenge distribuiert werden, ein ausgezeichnetes System �bernimmt die Rolle des Basissystems. Was nun lokal als Wiederholung des Basissystems �ber verschiedenen Indizes eines logisch-strukturellen Raumes erscheint, zeigt global Struktureigenschaften, die dem einzelnen Logik-System lokal fremd sind.

Dabei fungiert die Ausgangslogik als typisches System der Distribution. D.h. zum Beispiel, da� die klassische Logik mit ihrer Zweiwertigkeit �ber verschiedene logische Orte distribuiert wird. Dabei erhalten die verteilten Logiken je Ort eine Indizierung ihrer von der Ausgangslogik vererbten Wahrheitswerte. Bei diesem Mechanismus der Distribution (Faserung) wird die Ausgangslogik gebraucht, um die Verteilung zu konstruieren. Sie wird dabei selbst nicht thematisiert und fungiert blo� als Ausgangssystem der Distribution. Ihre Selbst-Thematisierung, die aus Gr�nden der Vollst�ndigkeit der Konstruktion vollzogen werden mu�, kommt in einer au�erlogischen Ebene (Morphogrammatik) zur Darstellung. Denn die Ausgangslogik hat als solche den Index Null. Nur so kann sie typisch f�r die distribuierten Logiken sein. Die Abstraktion von den Werten, d.h. jetzt von den indizierten Werten - allg. von der Satz- bzw. Regelstruktur der Ausgangslogik -, erzeugt die Morphogrammatik der Ausgangslogik. Die Morphogrammatik erf�llt die formalen Bedingungen der Vermittlung, d.h. in ihr ist die Wahrheitswert-Widerspr�chlichkeit der Vermittlung, wie sie bei einer direkten Vermittlung der �ber die verschiedenen Orte verteilten Logiken entsteht, widerspruchsfrei darstellbar, da in der Morphogrammatik von jeglicher logischen Wertigkeit abstrahiert ist.

Sind einmal Komplexionen von formalen Systemen komponiert, so lassen sich neue Gesetzm��igkeiten der Reflexionsform zwischen ihnen und ihren Komponenten, den Elementar-Kontexturen, feststellen.

Die Distribution und Vermittlung klassischer Logiken, ihre Dissemination bedeutet vorerst, da� die eine klassische Logik als typisches System �ber eine Vielzahl von logischen Orten verteilt ist. An jedem dieser Orte gilt die klassische Logik lokal. D.h. die klassischen logischen Gesetze bleiben bei der Distribution intakt. Sie wiederholen sich an jedem Ort und �ben dort ihre G�ltigkeit aus. Es wird also nicht nur kein Gesetz der klassischen Logik amputiert, sondern verschiedene Verflechtungen dieser nun distribuierten Gesetze bereichern den Formalismus. Zu den klassischen Gesetzen, die je auf einen Ort bezogen ihre lokale G�ltigkeit haben, kommen die neuen transklassischen logischen Gesetze hinzu, die simultan zwischen den Orten gelten, also die Gesetze der Transjunktionen und des non-monotonen Schlie�ens.

Chiasmus von Kontext und Kontextur

Zwischen verschiedenen Kontexturen und zwischen Kontexturen und Kontexten besteht kein hierarchisches Grundverh�ltnis. Vielmehr besteht ein heterarchisches Wechselspiel von Kontexturen und ihren jeweiligen Kontexten, so da� ihre Funktionalit�t als Kontextur bzw. Kontext wechselseitig ineinander �bergehen kann. Damit werden die Kontexte zu Kontexturen erhoben und erhalten ihre eigene Logik. Diese kann selber wiederum eine Basis f�r Kontexte abgeben. Der inverse Vorgang, da� Kontexturen als Kontexte fungieren, ist auf Grund des Wechselspiels zwischen Kontexten und Kontexturen Teil des Formalismus und erm�glicht so auch das systemische Zugleichbestehen von Kontext und Kontextur. (KAEHR 1989,1993, KAEHR / V. GOLDAMMER 1988, 1989)

Lekt�re zur Thematik

G. G�nther “Beitr�ge zur Grundlegung einer operationsf�higen Dialektik.”, Bd. I, II, III, Felix Meiner Verlag, Hamburg 1976, 1979,1980

G. G�nther “Das Bewusstsein der Maschinen. Eine Metaphysik der Kybernetik.”, Agis Verlag, Baden-Baden 1963

Kaehr, R.: “Disseminatorik: Zur Logik der `Second Order Cybernetics'. Von den `Laws of Form' zur Logik der Reflexionsform.”, in: Dirk Baecker (Hrsg.), Kalk�l der Form, stw 1068 Suhrkamp 1993

Kaehr, R. Interview in: “Freistil oder Die Seinsmaschine.” Mitteilung aus der Wirklichkeit von Thomas Schmidt, Sendung 1991, WDR 3, TAG/TRAUM Film- u. Videoproduktion, Weyerstr. 88, K�ln

Kaehr, R., Khaled, S. “Kenogrammatische Systeme. šber Todesstruktur, Maschine und Kenogrammatik.”, in: Information Philosophie, 21. Jahrgang, Heft 5, Dez. 1993, L�rrach.

Kaehr, R., Th. Mahler “Morphogrammatik. Eine Einf�hrung in die Theorie der Form.”, Klagenfurter Beitr�ge zur Technikdiskussion, Heft 65, 251 S., Klagenfurt 1994

Kurt Klagenfurt “Technologische Zivilisation und transklassische Logik. Eine Einf�hrung in die Technikphilosophie Gotthard G�nthers.”, Suhrkamp 1994

Copyright 1994 Dr. Rudolf Kaehr. This material may be freely copied and reused, provided the author and source are cited



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