Joachim Castella
I.M.A.G.E.
Institut f�r Medienanalyse und Gestalterkennung
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In: Spuren. 39, 2/1992, S. 31-33, � beim Autor.
"La�t uns den Menschen machen nach unserem Bilde, uns �hnlich." Dieser Anspruch scheint seit den sp�ten Tagen der Kybernetik, die sich anschickte, sich auszudifferenzieren in cognitive science, K�nstliche-Intelligenz-Forschung, neuro science, computer science, Biowissenschaften etc. in weitere Ferne denn je ger�ckt zu sein. Hielt man es in der fr�hen Nachkriegszeit noch f�r m�glich, menschliches Denken mit Hilfe Boolscher Algebren in absehbarer Zeit implementieren zu k�nnen, so reduzieren sich die Anspr�che der Gegenwart deutlich, wenn das Ziel nunmehr in einem sich fehlerfrei im Raum orientierenden k�nstlichen Lebewesen liegt. In dem Ma�e, in dem der Kognitionsbegriff eine Erweiterung erf�hrt - von Denken/Erkennen zu ad�quatem Interagieren des Systems in der Umgebung - bescheiden sich die grundlagentheoretischen Zielvorgaben der KI. Es l��t sich der Eindruck einer gewissen Stagnation innerhalb der KI nicht von der Hand weisen. Gleichzeitig l��t sich eine Gegenbewegung ablesen, es tut sich eine Schere auf innerhalb der KI. Denn erzielt die pragmatische und ndustrielle Anwendung der ingenieurwissenschaftlichen Erkenntnisse der KI zwar gro�artige Fortschritte in Robotik, Design und Rechnertechnologie, so verh�lt es sich auf theoretischem Sektor ehr umgekehrt, wenn es darum geht, die Grundlagen eines maschinalen Nachvollzuges kognitiver Strukturen und Leistungen zu erhellen. Die Euphorie der 50er und 60er ist deutlich verklungen und damit scheinen auch die grundlegenden Theoreme der Gr�nderzeit ihre Attraktivit�t eingeb��t zu haben.
1. Die klassische Alternative: Symbolverarbeitung ...
Standen am Beginn der 50ger Jahre noch zwei gro�e Paradigmata in parit�tischem Wettbewerb nebeneinander, so trat im Laufe der Zeit eines der Modelle nahezu vollst�ndig in den Schatten des anderen; das von Newell/Simon begr�ndete Paradigma der Symbolverarbeitung (Physical Symbol System Hypothesis) hatte den Konnektionismus, der sich an der Modellierung des Gehirns orientierte, verdr�ngt.
Die Grundannahme der PSSH ist das trotz verschiedener Architektur gleiche Funktionieren von Gehirn und Computer, wenn beide auf bestimmten Abstraktionsgraden als Repr�sentations- und Relationsmechanismen von Symbolen verstanden werden. D.h. es wird als Pr�misse stipuliert, da� Denken und Verstehen von Welt sich als intrasystemische Abbildung externer Daten ereignet. Dabei ist nat�rlich nicht an eine schlichte Eins-zu-eins-�bertragung gedacht, sondern in der Tradition von Frege, Russell, Whitehead ein Transformationsgef�ge impliziert, mit Hilfe dessen sich komplizierte und komplexe Inhalte in atomistische Komponenten zerlegen lassen, welche dann der Symbolverarbeitung zur Verf�gung stehen. Das zentrale Stichwort ist damit in der Repr�sentation zu sehen, unabh�ngig davon, wie fein und subtil diese im Einzelfall auch konzipiert sein mag.
... oder Modellierung des Gehirns
Den g�nzlich anderen Weg schlug der Konnektionismus ein, wenn er genau umgekehrt nicht von der Architektur abstrahierte, um allein mit den repr�sentierten Symbolen zu arbeiten, sein Interesse vielmehr der Architektur des menschlichen Gehirns galt. D.h. das Gehirn als neuronales Netzwerk wurde als Vorbild der Rechnerarchitektur genommen, um die im nat�rlichen Bereich vorgefundene Funktionweise zu modellieren. Der Unterschied zwischen beiden Paradigmen l��t sich dahingehend pr�zisieren, da� ersteres ein statisches Modell letzteres als ein dynamisches begriffen werden kann. Denn auch wenn die Vertreter der Symbolverarbeitung nicht m�de werden zu versichern, ihnen gehe es um die logischen Strukturen, die zur Modulation von Symbolen notwendig seien, l��t sich dieser Zugang nicht als strukturaler erfassen. Dies insofern, als die repr�sentationelle Basis der PSSH sie zwangsl�ufig als eine substantialistische klassifiziert, d.h. die Grundvoraussetzung liegt in der unl�slichen Bindung an die Implementierung statischer Entit�ten, auch wenn diese dann, logischen Strukturen folgend, manipuliert werden.
Die Dynamik des Konnektionismus findet sich einerseits in der Freiheit, die man sich methodologisch gegen�ber dem Endprodukt einr�umt. Hier, wo man gegen�ber der PSSH das Pferd gleichsam von hinten aufz�umt, geht es gerade nicht darum, eine logische Struktur zu finden/zu implementieren, welche einem bestimmten Problem gewachsen ist, sondern darum, zu ergr�nden welche Art von System eine bestimmte Eigenschaft entwickeln kann. Zum anderen liefert der Konnektionismus ein gegen�ber der PSSH dynamisches Modell, insofern hier in der Tat von einem strukturellen Zugang gesprochen werden kann, wenn neuronale Konnektivit�t vollst�ndig von substantieller Inhaltlichkeit abstrahiert, um auf das rein funktionale Interagieren und wechselseitige Aktivieren innerhalb des Netzwerkes zu sehen. Als drittes l��t sich eine st�rkere Dynamik in der systemimmanenten Anlage erkennen, welche nicht auf ein symbolgest�tztes Probleml�sen ausgerichtet ist, sondern ein eigenschichtliches Lernen der Maschine intendiert.
Ist dies die gro�e Alternative, in der die KI verfangen ist, so zeigt sich in der letzten Zeit eine zunehmende Hinwendung zum Konnektionismus, der �ber die Symbolverarbeitung in Gestalt des Neokonnektionismus oder des Parallel Distributed Processing die �berhand gewinnt.
2. Das alte Problem und das neue Konzept: Repr�sentation und Subsymbolismus
Dabei kann auch der Neokonnektionismus nicht der Frage entkommen, auf welchem Weg Konzepte gespeichert werden, wie sich Repr�sentationen nicht-symbolisch erkl�ren und verarbeiten lassen. Der hier eingeschlagene Weg f�hrt in einen subatomaren Bereich, wenn man das Symbol bzw. die unit als atomistisches Elementarteilchen versteht.
Ist die unit identischer Tr�ger eines Konzepts, d.h. handelt es sich um eine streng lokalistische Repr�sentation, dann bricht die Netzwerktheorie diese lokale Unit�t auf, um Bedeutung und Repr�sentation als die jeweilige Aktivierung, Verst�rkung, Abschw�chung unterschiedlicher und f�r sich semantisch bedeutungsloser microfeatures zu erfassen. Repr�sentation ereigenet sich somit als Zusammenspiel subsymbolischer Einheiten, die �ber das Netzwerk verteilt erst in ihrem speziellen Zusammenspiel sematischen Gehalt, symbolischen Charakter annehmen k�nnen.
3. Pragmatische Probleme des neuen Konzeptes: Formalisierung
Ist damit nun ein Modell gegeben, das den tats�chlichen Funktionsweisen des menschlichen Gehirns nahekommt, so stellt sich im Rahmen der ingenieurwissenschaftlichen KI das Problem der m�glichen Implementierbarkeit einer solchen subsymbolischen Mechanizit�t, anders gewendet stellt sich die Frage nach einem ad�quaten Formalismus.
Formalisierungen arbeiten als Abstraktionsstufen immer noch auf der Basis der Semantik, d.h. sie sind grunds�tzlich immer noch repr�sentational. Pr�gnant gefa�t lie�e sich das Problem somit als das einer repr�sationsfreien Repr�sentation fassen, die jedoch auf dem Boden der klassischen Logik, die immer eine Wertlogik ist, nicht konzipierbar ist.
Ans�tze die Wertgebundenheit derLogik zu verlassen, etwa der calculus of indication von Spencer Brown, oder dessen Erweiterung durch Varela vernachl�ssigen jedoch eine andere fundamentale Bedingung von Kognition, die Selbstreferentialit�t. Selbstrefrentialtit�t sprengt jeden klassischen Kalk�l, da zirkul�re Strukturen den Tod der Logik bedeuten.
Somit stellt sich f�r einen ad�quaten Kalk�l eine doppelte Forderung, sowohl repr�sentationsfrei "repr�sentieren" zu k�nnen, als auch Selbstbez�glichkeiten antinomiefrei abbilden zu k�nnen.
4. Ein m�glicher Ausblick: Polykontexturale Logik und Polykontexturalit�tstheorie
Will man aber von der Logik nicht Abschied nehmen und ins Irrationale verfallen, so bietet sich ein Ausweg, indem man die Absolutheit der Logik, d.h. ihren universalen Anspruch, von einem Zentrum aus g�ltig zu sein, zugunsten einer Vielheit der Urspr�nge aufgibt. Gotthard G�nther hat dieser pluralen, heterarchischen Verortung der Logik sein Konzept der Polykontexturalit�tstheorie gewidmet, die sich als eine mehrwertige Logik verstehen l��t, in dem Sinn, da� die eine und allgemeing�ltige Logik (d.h.die Monokontextur) ihre polykontexturale Dissemination (Kaehr) erf�hrt. Ist dies der Weg, Selbstbez�glichkeiten antinomiefrei darzustellen, so liefert die von G�nther eingef�hrte Kenogrammatik den Kalk�l, der, ohne selbst repr�sentational zu sein, die Genese der Repr�sentationen, die Semiosis darzustellen vermag.
Polykontexturalit�t bedeutet dann Tabularit�t an Stelle von Linearit�t, Heterarchie an Stelle von Hierarchie, Selbigkeit von Andersheiten an Stelle von Identit�t, bedeutet nichts weniger als eine neue, nicht mehr klassische, sondern transklassische Rationalit�t. G�nther entwickelt die Grundz�ge der Polykontexturalit�tstheorie haupts�chlich w�hrend seiner Professur am Biological Computer Laboratory (BCL)in Urbana, Illinois, dem er unter der Leitung von Heinz v. Foerster seit 1961 bis zur Aufl�sung des BCL 1974 angeh�rt.Hierarbeitet er arbeitsteilig als Philosoph unter Mathematikern, Biologen, Ingenieuren in der Wiege der Systemtheorie, deren Ergebnisse im �brigen hervorragend dokumentiert sind, in den komplett als Microfiches vorliegenden Ver�fflichungen des BCL.
Die am BCL vorzufindende Interdisziplinarit�t darf als deutlicher Hinweis darauf verstanden werden, da� sp�testens seit den Tagen der Kybernetik die klassische Einteilung in Geistes- und Naturwissenschaften hinf�llig geworden ist, nicht nur, wenn Kognition Gegenstand der Forschung ist. Es zeigt sich, da� Spuren eines solchen Denkens sich in der abendl�ndischen Geistesgeschichte schon an anderen Stellen finden lassen, wie etwa in der Dialektik Hegels, der Psychoanalyse Freuds/Lacans, den um Zirkularit�t und gegen Identit�tsdenken anringenden Bem�hungen Heideggers, der Grammatologie Derridas.
Interessant wird es, wenn nun einerseits das Bestreben der KI in eine Sackgassen geraten ist, wenn andererseits von unterschiedlichsten Disziplinen das strukturelle Instrumentarium bereits reflektiert wird und wenn dar�berhinaus die empirische Neurobiologie (Maturana/Varela) mit diesen theoretischen �berlegungen konvergiert. So bildet der Focus des Interesses sich um die Probleme der Selbstbez�glichkeit, der nicht-repr�sentativen Repr�sentation, der Heterologie.
5. Polykontexturalit�t als transdisziplin�res Integrationselement
Ist dies der Ort von dem aus eine Analyse des Kognitionsbegriffes ausgeht, so ist damit deutlich, da� es sich um einen grundlagentheoretischen Zugang handelt, der sich als theoretisches Pendant zum empirischen Kantianismus Maturanas verstehen l��t. Denn wenn die Bedingungen der M�glichkeit von Semiosis in einem pr�semiotischen Bereich untersucht werden, zielt ein solcher Ansatz auf die reflexionslogischen und epistemologischen Voraussetzungen unter denen sich Kognition ereignet. Anders gewendet handelt es sich um einen Metadiskurs, der sich als Instanz der Kritik und Vermittlung vor und zwischen die jeweiligen- etwa die oben skizzierten -Ans�tze und Schulen schaltet. Kritik, insofern hier bereits dar�ber entschieden werden kann, ob und in welchem Ma�e ein Ansatz Fruchtbarkeit verspricht, wenn er auf die Konsistenz seiner immanenten Pr�missen hin untersucht wird. Vermittlung, da die gew�hlte Perspektive als eine rein strukturale, die jeweiligen Zug�nge auf einer Abstraktionsebene in den Blick nimmt, welche einerseits deren systematische Verortung leistet, andererseits und in Folge dessen, die verschiedenen Ans�tze in ihrer strukturalen Reduktion allererst als entsprechend, analog oder kontradiktorische erkannt werden.
Damit wiederum ist deutlich der Boden der Philosophie betreten, wenn man in der Frage "Was ist Kognition?" eine der Grundfragen der Philosophie wiedererkennt, die Frage danach, auf welchem Weg der Mensch zur Erfahrung von Welt gelangt, in welchem Verh�ltnis sich Denken und Sein verstehen lassen. Wenn hierbei die polaren Antworversuche von Abbild und Konstruktion, von Engramm und parallelem verteiltem Proze� sich unvers�hnlich gegen�berstehen, dann bedarf es aber einer grunds�tzlichen anderen Perspektive, die die Immanenz der verschiedenen Ans�tze verl��t und auf deren Erm�glichungsgrund selber reflektiert. D.h. es gilt vor die Frage nach der Kognition jenen kognitiven Akt zu schalten, der sich als die selbstbez�gliche Frage danach heraustellt, was die Bedingung der M�glichkeit seiner selbst ist.
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