Ergänzend zu den sehr praxisbezogenen Arbeiten, die in dem Modellversuch Kulturelle Bildung im Medienzeitalter" unter Titeln wie Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter", Bildkompetenz und Wissensvernetzung", t r a n s medien" u.a. realisiert werden, stellt die vorliegende Arbeit Skizze eines Gewebes rechnender Räume in denkender Leere/Towards an Abstract Model of TransComputing" den Versuch dar, aus der Erfahrung mit eben dieser Praxis an verschiedenen Kunsthochschulen, einen grundlagentheoretischen Entwurf zu wagen, der die gegenwärtigen Tendenzen in ihren systematischen und historischen Rahmen einzuordnen vermag und das Paradigma für bevorstehende und wohl auch zukünftige Entwicklungen im IT-Sektor zu entwerfen unternimmt.
In diesem Sinne ist die sehr theoretisch konzipierte Skizze" der Möglichkeiten entwerfende Entwurf für die weitere praxisbetonte Arbeit Kalkül und Kreativität" als direkte Thematisierung der Aufgabenstellung wie sie im Drittmittelprojekt Informatik, künstlerische Praktik und Kunsttheorie der digitalen Bildtechnologien" des BLK Programmes Kulturelle Bildung im Medienzeitalter" definiert ist.
Die Arbeit Kalkül und Kreativität" wird auf der Basis des theoretischen Entwurfs der Skizze" direkt praxisbezogene Themenbereich angehen, Neuorientierung, Unterrichtstechniken, Trainingsmethoden und auch Kontakte zu internationalen Institutionen vorschlagen.
Die praxisorientierten Vorschläge in Kalkül und Kreativität" stehen auch im direkten und ergänzenden Zusammenhang mit den Arbeiten zur Geschichte der Kunstakademien" und der Typologie gegenwärtiger kunstakademischen Ausbildung" ( Stefan Römer) insb. bezüglich der Befragung der Modalitäten der Lehr- und Lernbarkeit künstlerischer Kreativität und Produktionsweisen.
Ein erster Komplex einer neuen Praxisorientierung bietet der hier postulierte Paradigmawechsel in der Computerwissenschaft vom Turingmodell zum Paradigma der Interaktion . Nachdem auch an Kunsthochschulen die Turing Maschine als Paradigma des Machinalen gelehrt, eingeübt und wohl auch hypostasiert wurde, ist es angebracht, nun das Paradigma der Interaktion als leitend für das Curriculum einzuführen. Die Computertechnologie ist heute im Übergang von einem ersten zu einem zweiten Paradigma der Einbeziehung des Menschen in die Mensch/Maschine-Konstellation. Der Leitfaden ist nicht mehr das Konzept und die Metapher des Algorithmus, sondern die Interaktion zwischen Mensch und Maschine mit der Betonung des Interface bzw. der Schnittstelle als Vermittlung, Schnitt und Naht, von System und Umgebung.
Perhaps the most fundamental idea in modern computer science is that of interactive processes. Computation is embedded in a (physical or virtual) world; its role is to interact with that world to produce desired behavior. While von Neumann serial programming has it that computation-as-calculation uses inputs -- at the beginning -- to produce outputs -- at the end -- computation-as-interaction treats inputs as things that are monitored and outputs as actions that are taken over the lifetime of an ongoing process. By beginning with a decomposition in terms of interacting computational processes, we can teach our students a model of the world much closer to the one that underlies the thinking of most computer professionals." Andrea LynnStein, Rethinking CS101
Ein zweiter Komplex der Praxisorientierung innerhalb der Thematik von Kalkül und Kreativität" im Sinne des Interaktionismus ist die Frage nach dem Verhältnis von Computer und Kreativität einmal als Wissensorientierung und als Trainingsmöglichkeiten. Hier ist auch die Schnittstelle zwischen Künstlern und Computerwissenschaftlern und Ingenieuren zu sehen. Künstler sollten befähigt werden einen Anforderungskatalog an Computersysteme, die als kreative Assistsysteme fungieren sollen, im Sinne einer Kooperation aufstellen zu können.
Interessant ist hier die Kooperation von Silicon Graphics mit der Glasgow School of Art.
Ein allgemeinerer Komplex bzw. ein Framework der Konzeptualisierungen ist in der Entwicklung einer Explikation der postulierten Grundformen machinalen Daseins" zu finden. Diese sind hilfreich zur Orientierung und für die künstlerischen Praxis und verhindern die vorherrschende Einseitigkeiten des Funktionalismus und Digitalismus der heutigen Computerindustrie. Die Einsicht in die verschiedenen Entwicklungsstufen und Möglichkeiten, gewonnen durch die Methode des Concept Mining , sollen dem Künstler eine möglichst reflektierte Distanz und Souveränität gegenüber dem herrschenden Funktionalismus und Digitalismus verschaffen. Die Ergebnisse die Praxisvorschläge, basierend auf den neuen konzeptionellen Einsichten, sollen dann in den Komplex Medienkunst und Metareflexion für die Ausbildung an der KHM eingebunden werden.
Eine besondere konkrete Applikation lässt sich für das Curriculum der Computerwissenschaft und der Programmierkurse an der KHM jetzt schon vorschlagen: Interactive Programming im Sinne von Andrea Lynn Stein (MIT). Erfahrungen der laufenden interaktiv definierten Java Programmier-Kurse an der KHM sind entsprechend auszuwerten. Es wird auch auf die Bedeutung der Arbeitsorganisation der Programmierung hingewiesen. Als eine polare Orientierung kann die Spannung zwischen UML ( Unified Modeling Language ) und XP ( eXtreme Programming ) betrachtet werden.
UML scheint eine hilfreiche Methode an die Hand zu geben, grössere Projekte in ihren interaktiven Modulen übersichtlich zu modellieren. Dies hilft klar zu machen, was überhaupt an Programmieraufwand für das Gesamtprojekt entsteht. Es läßt sich klarer entscheiden, welche Module von wem und mit welchem zeitlichen und finanziellen Aufwand realisiert werden können und welche nicht.
"The role of the Unified Modeling Language (UML) is to model interactive systems, whose behaviors emerge from the interaction of their components with each other and with the environment.
Unlike traditional (algorithmic) computation, interactive computation involves infinite and dynamic (late binding) input/output streams. Algorithmic tools and models do not suffice to express the behavior of today's interactive systems, which are capable of self-reconfiguring and adapting to their environment."
Auch wenn sich das Gesamtprojekt aus ökonomischen Gründen nicht realisieren läßt, kann die UML-Modellierung des Gesamtprojekts als modellmäßige Realisierung des Entwurfs verstanden und akzeptiert werden. UML wird dadurch nicht nur zu einer präzisen Modellierungsmethode, sondern auch zu einer präzisen Entwurfssprache. Ein Projekt, spezifiziert in UML, kann, auch wenn es nicht in konkreto programmiertechnisch realisiert wird, evaluiert und damit etwa als Abschlussarbeit an einer KHM akzeptiert werden.
Gibt das Stein´sche Modell der Interaktiven Programmierung mehr die Objektseite, das Programmsystem und die daraus entstehenden neuen interaktiven Vorgehensweisen an, so ist die XProgrammierung mehr ein Modell der Interaktion der Programmierer als Team und bestimmt den Umgang mit Software, unabhängig davon, um welche Programmiersprache oder um welches Programmierparadigma es sich dabei konkret handelt. XP ist mehr eine Philosophie und Organisationsform des Programmierens als ein neues Programmiersystem.
Zwi für Künstler interessante Eigenschaften des XP seien angeführt.
Pair Programming. XP programmers write all production code in pairs, two programmers working together at one machine. Pair programming has been shown by many experiments to produce better software at similar or lower cost than programmers working alone.
Collective Ownership. All the code belongs to all the programmers. This lets the team go at full speed, because when something needs changing, it can be changed without delay."
Wogegen setzt sich das XP ab? XP richtet sich gegen die hierarchische, monolitische problemlösungsorientierte, individualistische Organisationsweise der Programmierung und betont demgegenüber die Gruppenarbeit.
Kritikfähigkeit und Reflektiertheit den Technologien der Neuen Medien gegenüber, basierend auf einer entsprechenden Technikphilosophie jenseits von Kulturpessimismus und Technikeuphorie, soll damit unterstützt und gefördert werden. Es soll eingeübt werden, wie die Argumentation der beiden Positionen funktioniert und und wie sie sich seit Platos Verdikt über die Schrifft zwangsweise wiederholt. Ein Katalog dieser Dichotomien soll erarbeitet werden zur Orientierung auch für zukünftige Ereignisse dienen. Ebenso ist neben der Erfahrbarmachung auch die Distanzierung, Hinterfragung und Verwerfung dieser grundsätzlichen Tendenz von Euphorie und Phobie zu leisten.
Es soll darauf hingewiesen werden, dass eine "Schulung der ästhetischen Wahrnehmung" im Kontext der Neuen Medien, so wichtig sie für sich sein mag, die Gefahr in sich birgt, von der Notwendigkeit des "Denkens des Denkens" abzulenken und damit in der klassischen Denkform des "Denkens von Etwas" und seiner spatio-temporalen Virtualisierung und rasanten Beschleunigung verhaftet bleibt. In diesem denkerischen Zusammenhang soll auch die Konzeption der "ThinkArt" eingeführt und diskutiert werden. Im Allgemeinen sind Computersysteme mehr von ihrer kognitiven Funktion her verstanden worden. Denkmaschine, electronical brain, Künstliche Intelligenz usw. sind die Stichworte. Dies ist angesichts der Number Crunching und Symbolverarbeitung der Computersysteme gewiss richtig.
Seit der Vorherrschaft der GUIs (Graphical User Interfaces), der Multimedia und Virtuellen Realität scheinen, zumindest für den User, die kognitiven Funktionen in den Hintergrund geraten zu sein und das Problem einer Schulung der Wahrnehmung" für digitale Medien ist angesichts ihrer Virtualität aktuell geworden und in den Vordergrund gerückt.
But visualisation is not a 'cognitive artifact'; it does not (nor does it attempt to) support rational problem solving.
Rather, it presents existing information in a way that changes the sensual experience of observers, as compared to the original formulation of that information. In other words, visualisation and related techniques of media-translation act as sensory transducers that change human perception not human problem solving. This change may then result in the observer having new insights into the information presented, insights that will affect how he reasons about the phenomena.
Such creativity arises from support for rich sensual experience, not from enhanced reasoning abilities."
http://www.interactiveinstitute.se/tools/eng/eng_index.html
Entsprechend dieser These, dass heutige Computer die Wahrnehmung und nicht das Denken unterstützen, sind eine Reihe von Trainingsmethoden zur Unterstützung wahrnehmungs bezogener Kreativität entwickelt worden. In diese Richtung sollen Praxisvorschläge für weiteres Trainings gemacht werden. Allerdings sollen diese nicht isoliert betrieben, sondern mit der komplementären Richtung einer Unterstützund des Denkens verbunden werden.
Ein anderer Ansatz versucht gerade die kognitiven Funktionen der Kreativität im Zusammenhang mit Computersystemen zu betonen. Dabei muss nicht notwendigerweise Kreativität mit Problemlösung identifiziert werden. Hierzu sind ebenso die Anknüpfung an das Loughborogh Projekt Creativity and Cognition" (Edwards, Candy) zu bedenken wie auch eigene Trainingsmethoden zu entwickeln. Die geleistete konzeptionelle Arbeit der Skizze" hat gerade die Funktion, das Denken des Denkens" im Sinne einer von der Wahrnehmung befreiten Kreativität zu unterstützen und dafür Orientierung zu geben.
Im Sinne der DiamondStrategien, die zu jeder Position die komplementäre Gegenposition, das Weder-noch und das Sowohl-als-auch der beiden thematisiert, sollen die zwei Grundrichtungen der Schulung der Wahrnehmung" und der Cognition and Creativity" ins gegenseitige Zusammenspiel gebracht werden. Die DiamondStrategien mit ihrer chiastischen Strukturation der Thematiken ermöglichen grösstmögliche Distanz und Involvierung der Problematik von Wahrnehmung, Denken des Denkens, Kreativität und Problemlösung und Entwurf der Thematik gegenüber.
Eine weitere Konsequenz des in Skizze" entwickelten Paradigma ist, dass die von Heidegger und Derrida formulierten Gedanken zu einer nicht-kreationistisch verstandenen Kunstauffassung in eine pragmatische lehr-/lernbare Strategie überführt werden kann. Hier kann einsichtig werden, was die Kunstschaffenden tun, damit sie überhaupt in die Situation kommen können, Kreativität, Problemfindung und -lösung, Heuristik, Innovation usw. zur Realisation von Kunst benötigen zu müssen.
Creativity is not easy to define, but can be construed as a process whereby there is an evolution towards a solution to a problem which makes use of a combination of logical and illogical mechanism. When faced with any creative task or problem, it is essential to be able to investigate a variety of alternative solutions." J. Sedivy, H. Jonson1999
Wird jedoch Kreativität von Problemlösung entkoppelt, lässt sich auch einsitig machen, dass auch die Verbindung von Kunst und Kreativität zu hinterfragen ist. Denn was nach Kreativität verlangt, muss nicht notwendigerweise selbst wiederum mit Kreativität und Kreation vebunden sein.
... -the role of artwork is not to create but rather to ´make expressly visible´, to ´thematize´a world which is already in existence ." Joung
Kreativität ist lehr- und lernbar.
Kunst existiert jenseits von Kreativität.
Maschinen müssen Aspekte der Kreativität realisieren.
Zweites Paradigma der Computertechnologie als Interaktionismus.
Jede Position kann diamondisiert bzw. vierfach perspektiviert werden.
Jede Thematik ist im Geviert der Thematisierung als Narration, Formalisierung, Implementierung und Realisation darzustellen.
- Etablierung einer grundsätzlichen Position jenseits von Kulturpessimismus und Technikeuphorie.
- Etablierung einer Denkschulung im Sinne einer Selbstreflexion als Ergänzung zur Wahrnehmungsschulung im multimedialen Konnex.
- Entwicklung eines Anforderungskatalogs als Basis für Kooperationen zwischen Künstlern und Ingenieuren zur Entwicklung interaktiver Kreativität unterstützender Systeme.
- Entwicklung eines neuen Curriculums für den Computerunterricht im Sinne des Interaktionismus in Programmierung und Robotszenarien.
Die folgenden Zitate aus Nachbarprojekten sollen, zusätzlich zu den obengenannten Forschungen und Lehrveranstaltungen zur Geschichte der Kunstakademien, kontrastierend und ergänzend die Arbeiten Kalkül und Kreativität" und der Skizze" die Unterschiede der Thematisierungen und Gewichtungen bzgl. Wahrnehmunsschulung" und Denkschulung" verdeutlichen helfen.
t r a n s medien wird Bedingungen, Abgrenzungen und Grenzübertritte bei der Anwendung von sog. alten und neueren bis digitalen Medien an der Hamburger Kunsthochschule reflektieren und diskutieren. Dazu werden in Seminaren, Workshops und Ausstellungen, auf Forumsveranstaltungen und in Kooperationen mit anderen Hochschulen und Institutionen - interdisziplinär - Untersuchungen, Thesen und Gegenthesen vorgestellt, entwickelt und verhandelt.
Der Modellversuch startet in diesem Semester unter dem Begriff "Vermittlungsversuche" mit der Frage nach den durch Massenmedien und technologische Entwicklungen veränderten Bedingungen von Kunst/Öffentlichkeit und den zunehmend hybriden Orten und Vermittlungsformenvon aktueller Kunst."
t r a n s medien___modellversuch an der hochschule für bildende künste hamburg. http://www.transmedien.de
Das Forschungsprojekt Visuelle Kompetenz im Medienzeitalter veranstaltet im Wintersemester zwei Kurzsymposien zum Thema Bildkompetenz und Wissensvernetzung.
...um den Begriff der Visuellen Kompetenz" in Bezug auf einen aktuellen Bildbegriff unter Netzbedingungen kritisch zu hinterfragen. Hierfür bilden die drei Schlüsselbegriffe Bildkompetenz - Visuelles Wissen - Wissensnetzwerke in ihrer wechselseitigen Verknüpfung einen geeigneten Diskussionsrahmen. Dementsprechend werden VertreterInnen der Medientheorie, der Kommunikationswissenschaft, der Kunstdidaktik, der Medienpädagogik, der Gehirnforschung, der Gedächtnisforschung, der Wissensforschung, der Kunstgeschichte, der Netzkunst, des Web-Designs und der Architektur eingeladen."
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