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"Kurt Klagenfurt"
In seiner Vision vom Untergang des Abendlandes deutet Oswald Spengler[ref] Geschichte als Auflehnung des Menschen gegen die Natur. Dabei unterscheidet er zwei Entwicklungsstufen. Die Erste, die primitive oder auch archaische Kultur ist ihm im wesentlichen Naturgeschichte. In ihr ersch�pft sich die Bedeutung des Menschseins weitgehend im Biologischen; sie ist kaum mehr als nat�rliches Dasein. Hiervon hebt er die eigentliche Weltgeschichte als zweite Stufe ab. Sie besteht aus einer beschr�nkten Anzahl zeitlich und r�umlich voneinander abgrenzbarer Hochkulturen. Sie erst machen die eigentliche Kulturgeschichte des Menschen aus. Als letzte Form dieser zweiten Stufe tritt die "faustische" Kultur des Abendlandes auf. Sie setzt sich weltweit durch. In Ihrem Zentrum steht die Technik. In der Gestalt des Ingengieurs findet sie ihrem symbolischen Ausdruck. Allerdings, so Spengler, neige sich mit ihrem Abschlu� die Zeit der Hochkulturen ihrem Ende zu. Mit der vollst�ndigen Emanzipation des Menschen von der Natur, personifiert in der Gestalt des Technikers, seien alle M�glichkeiten eines sinnvollen Daseins ersch�pft. Es gebe keinen Impetus f�r eine fortschreitende, stabile Dauerentwicklung mehr.
Zun�chst einmal, sagt Gotthard G�nther, mu� Spengler darin ernst genommen werden, da� ein evolution�rer Bruch stattgefunden habe, eine Z�sur, die Spengler als Differenz zwischen universaler primitiver Kultur und den regionalen Hochkulturen beschreibt. Mit ihnen sei die historische, wenngleich primitive Einheit des Menschseins verloren gegangen. Nun aber, am Ende des Hochkulturen, zeichne sich eine neue Einheit ab, die Weltgesellschaft. Und im Gegensatz zu Spengler m�sse gezeigt werden, da� die metaphysische Auseinandersetzung des Menschen mit der Natur noch nicht zu ihrem Ende gekommen ist. Ihr Medium und Motor ist die Technik, aber es ist nicht mehr die "faustische" Technik, die klassisch-mechanische Maschine, die Spengler noch im Sinn hatte, sondern eine neue Form der Technik, eine "intelligentere", die f�r Gotthard G�nther durch die "transklassische" Maschine gekennzeichnet ist. Sie, nicht das Zur�cksinken in einen geschichtslosen Zustand, charakterisiere die zweite von Spengler genannte Z�sur. Dementsprechend m�ssen nun drei welthistorische Entwicklungsstufen des Menschseins unterscheiden werden. Gotthard G�nther spricht von Entwicklungsstufen menschlichen (Bewu�t-) Seins.
Das primitive oder archaische (Bewu�t-) Sein geht, so lautet die Argumentation, vollst�ndig in seiner Au�enwelt auf. Aufgehoben in einer mystischen Einheit von Selbst und Umwelt, kann es seine Wesensbestimmungen nur insoweit verstehen, als sie sich ihm direkt aus der objektiven Gegenstandswelt ins Bewu�tsein z�ruckspiegeln. Seine eigenen seelischen Bestimmungen erscheinen ihm deshalb als G�tter, Geister und Gespenster. Magie und Animismus, Totem und Tabu sind die entsprechenden sozialpsychologischen Korrelate. G�nther bezeichnet diese Existenzform menschlichen (Bewu�t-) Seins als Geschichte erster Stufe bzw. als einwertige Bewu�tseinsform.
Folgt man dieser Argumentation weiterhin, so vollzieht sich der �bergang zur Geschichte zweiter Ordnung bzw. zur zweiwertigen (Bewu�t-) Seinsform in den regionalen Hochkulturen durch Abl�sung des Meschen von seiner Umwelt, durch die Trennung von Subjekt und Objekt. Der Mensch erf�hrt sich gegen�ber seiner Umwelt als das absolut Verschiedene, als totale Negation der in die unerme�liche Vielfalt der Objekte aufgebrochenen Umwelt. Und zugleich entfaltet er eine �ber alle Ma�en besitzergreifende, gestaltende und instrumentelle Beziehung zu ihr. Diese Form der Beziehung ist charakteristisch f�r alle regionalen Hochkulturen. Hierin stimmen sie strukturell �berein, und hierin grenzen sie sich gemeinsam von der Stufe des Archaischen (Bewu�t-) Seins ab. Worin sie sich aber voneinander unterscheiden, ist die inhaltliche Ausgestaltung und Begr�ndung dieser Abl�sung. Hier geht die faustisch-abendl�ndische Kultur einen Sonderweg.
W�hrend alle anderen Hochkulturen in ihren Objektivations
bem�hungen im Bereich inhaltlich gebundener Subjektivit�t verharren und die inhaltlichen Substrate ihrer Kultur in die Umwelt projizieren, ihr in symbolischer oder institutioneller Form, sei es in der Religion, in der Kunst oder im Alltag, Geltung verschaffen, vollzieht sich in der faustisch- abendl�ndischen Kultur der radikalste Projektionsschritt: die �bertragung des reinen, des inhaltsleeren Handlungsschemas des t�tigen Menschen in die physische Wirklichkeit. Das ist die Geburt der Maschine. Im objektiven Ereignis der Maschinent�tigkeit manifestiert sich das subjektive Erlebnis des Ingenieurs, der sie ersinnt. In un�berbietbarer Weise, ohne Ansehen von Lokalkolorit und Tradition, bringt die Maschine die differentia specifica der zweiwertigen Bewu�tseinsform zum Ausdruck. In der Maschine verk�rpert sich das innere Antriebsstreben aller Hochkulturen, die archaische Kultur dadurch zu �berwinden, da� sie von der Idee der ontologischen Einwertigkeit zum Zweiwertigkeitsprinzip �bergehen. In ihr manifestiert sich am �berzeugendsten die Trennung von Subjekt und Objekt. Und hierin sieht Gotthard G�nther zugleich den ontologischen Grund daf�r, da� sich die abendl�ndische Technik weltweit durchsetzen konnte: In ihr erkennt jede Hochkultur ihre je eigene metaphysische Antreibskraft wieder, die die einzelnen Kulturkreise trotz aller sonstigen Unterschiede miteinander verbindet. Deshalb auch, und weil die Maschine seelenlos und indifferent gegen�ber dem historischen Apriori einer jeden Hochkultur ist, kann sie auf allen Kontinenten des Erdballs, sei es in Japan, im Iran oder anderswo, sich durchsetzen. Und in der Tat finden sich heute die "gro�en Theorien" nicht mer in inhaltlich formulierten Gedankengeb�uden, wie in der traditionellen Philosophie, in Religionen usw., sondern in "leeren" Handlungsschemata, in formalen Kalk�len, materialisiert in Technologie. Die verlorene Einheit der Weltgeschichte wird auf dem Weg �ber die Maschine zur�ckgewonnen. Ihren Anforderungen gegen�ber mu� ein jeder sich gleich verhalten. Es ist die Technologie, die die Welt zusammenh�lt. War bislang von der Maschine die Rede, so war die klassisch-
mechanische Maschine gemeint, und die Trennung von Subjekt und Objekt war zugleich eine Trennung von Seele und Ding, eine Absonderung des Toten und Seelenlosen von Geist und Bewu�tsein. Mit diesen Res�mee leitet G�nther zugleich seine Kritik an Spengler ein. Die Natur, von der sich der Mensch abl�ste, war Dingwelt, umfa� lediglich deren unbelebte, geist- und seelenlose Objektdimension. Neben die Geschichte des reflexionslosen Weltverst�ndnisses der zweiwertigen (Bewu�t-) Seinsform aber mu� treten, so Gotthard G�nther, eine komplement�re Geschichte des Verst�ndnisses selbstreflexiver Prozesse der mehrwertigen (Bewu�t-) Seinsform. Hierf�r sei es notwendig, die Kategorie des (absoluten) Subjekts in die Kategorie der �ber den Bereich des Ich (subjektives Subjekt) und des Du (objektives Subjekt) verteilten Subjektivit�t aufzul�sen. Durch die Aufl�sung der philosophischen Denkfigur des absoluten Subjekts k�nne von nun an nicht mehr schlechthin von einer einfachen Subjekt- Objekt- Relation gesprochen werden, sondern es m�sse pr�ziser von mehreren m�glichen Beziehungen zwischen verschiedenen Arten von Subjekten und dem Objekt gesprochen werden. Die formale Abbildung dieser Beziehungsstruktur und ihre Implementierung auf einer Maschine erfordert allderdings eine Logik h�herer Ordnung als die der zweiwertigen, die formal nur dem Unterschied zwischen (absolutem) Subjekt und Objekt Rechnung tr�gt. Die Theorie der klassisch-
mechanischen Maschine, die Maschinentheorie zu Zeiten Spenglers basierte auf einem Wissen vom toten, reflexionslosen Objekt. Die Konstruktion der transklassischen Maschine, in ersten Ans�tzen des Computers, schlie� Aspekte ein, die bislang dem Bereich des Subjektiven zugesprochen wurden. Es geht dabei nicht um jenen Bereich des Denkens, der Ausdruck des je individuellen Ichs der menschlichen Subjektivit�t ist, dessen Privatheit als h�chste Auspr�gung des Besonderen gilt, sonder um das Allgemeine, das Objektivierbare im Denken. Da� dieses Problem als technologisches zur Disposition steht, charakterisiert f�r Gotthard G�nther die zweite Spenglerische Z�sur. Sie leitet �ber zur Geschichte dritter Ordnung, bzw zur mehrwertigen (Bewu�t-) Seinsform. Die Entwicklung der transklassischen Maschine zeigt, so Gotthard G�nther, dass das "tote" Objekt, der Mechanismus, f�hig ist, Funktionen und Aufgaben zu erf�llen, die bislang dem mit Geist versehenen Subjekt vorbehalten schienen. Mit dem Computer entsteht eine Maschine, die �ber die M�glichkeiten der klassisch-mechanischen Maschine hinaus in der Lage ist, nicht bloss die Auflehnung gegen die Dingwelt zu vollsiehen, sondern, wie G�nther formuliert, die Emanzipation des Subjekts von einem �berlieferten, falsch verstandenen Subjektivit�tsbegriff einzuleiten. Bereiche, die bislang als subjektiv-
spezifisch und -konstitutiv erachtet wurden, werden aufgrund der Leistungsf�higkeit der transklassischen Maschine zu gro�en Teilen zu objektiven Eigenschaften der Umwelt. Der Proze� dieser Korrektur, so erg�nzt G�nther, sei die zentrale Aufgabe der n�chsten Epoche der Weltgeschichte. Der Computer stelle das Mittel dar, mit dem diese Aufgabe, die Trennlinie zwischen Subjektivit�t und Objektwelt zu verschieben, in Angriff zu nehmen sei. Aus der Beobachtung dessen, was der Computer tut, wenn er jene Leistungen vollbringt, die aus dem Bereich des Subjekts in den des Objektiven �berf�hrt werden, ergeben sich zugleich R�ckschl�sse auf jene Kompetenzen, die nach wie vor im Subjekt verbleiben. Der Computer wird so zugleich zum Medium der Selbsterkenntnis. Folgt man weiterhin der Argumentation G�nthers, so l�st sich das absolute Subjekt, die klassische Denkfigur der Philosophie, auf in zwei Komponenten, in ein subjektives und ein objektives Subjekt. Denk- und Verhaltensroutinen des objektiven Subjekts lassen sich auf Maschinen implementieren. Der Zusammenhang gesellschaftlicher Subsysteme, ihre Integration, kann durch Informations- und Kommunikationstechnologien vermittelt werden, ein Vorgang, der sich auf der Ebene des objektiven Subjekts abspielt. Das Denken und Verhalten des subjektiven Subjekts hingegen zerf�llt in postmoderne Un�bersichtlichkeit. Individuelle und kulturelle Beliebigkeit nehmen zu, allerdings auf der Basis einer Technologie, die die Vernetzung gesellschaftlicher Subsysteme weltweit sicherstellt. Sie ist die Manifestation der letzten "gro�en Theorie"; ihre "Wahrheit" stellt sich nicht kontemplativ, sondern als Konstruktionsproze� her. Sie ist zugleich das trojanische Pferd des Eurozentrismus zur Durchsetzung der Weltgeschellschaft. Technologische Formation und Postmoderne und postmoderne Un�bersichtlichkeit sind zwei Seiten derselben Medaille. Die verlorengegangene Einheit der Menschheit stellt sich nicht im Bereich des Subjektiven wieder her, sondern sie setzt sich vermittelt �ber Technologie durch. Wie der Mensch die klassische Technik zur Kompensation physischer Unzul�nglichkeiten ergriffen hat, so wird er, entsprechend einer Vision Gotthard G�nthers, die Computertechnologie entwickeln, um sich im kognitiven Bereich von Routinen zu entlasten. Sie er�ffnet ihm Handlungs- und Gestaltungsm�glichkeiten in einer Zukunft, die prinzipiell nicht voraussagbar ist. Ihre Gestaltung h�ngt ab vom Willen der Menschen, von jenem Bereich der Subjektivit�t, den Gotthard G�nther als subjektiven bezeichnet und der nicht auf einer Maschine implementierbar ist. Er ist die Basis einer zunehmend weltweit sich vernetzenden Kommunikations-
gesellschaft und sollte ihre weitere Entwicklung bestimmen. Den anteile auf die Maschine f�r das Ende der Metaphysik zu halten oder f�r den Untergang des Subjekts schlechthin, darin besteht nach Gotthard G�nter der Irrtum eines naiven Humanismus, der nicht wisse, wovon er redet.
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