Index


"Kurt Klagenfurt"
Technologische Zivilisation und transklassiche Logik
Eine Einf�hrung in die Technikphilosophie Gotthard G�nthers
� Suhrkamp Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 1995

II
1. Technologische Integration

Operationalit�t in der Abendl�ndischen Theoriebildung manifestiert sich schliesslich als Technologie. Technologie meint hier die um Wissenschaft (logos) erweiterte Technik (techn�). Aber nicht allein eine Symbiose, in der Techniker die f�r die Wissenschaft n�tigen Maschinen konstruieren und Wissenschaftler die theoretischen Grundlagen dieser Technik liefern, soll dieser Begriff bezeichnen. Vielmehr wirkt Technologie als ein allgemeines Prinzip: Wechselseitig produziert sie Modelle und Realit�t, wobei die dabei entstehenden technologischen Systeme nicht nur �ber die physischen Fertigkeiten des Menschen, sondern in zunehmendem Masse auch �ber seine sozialen und kognitiven F�higkeiten verf�gen. Technologie bezeichnet ein spezifisches gesellschaftliches Projekt, das sich, ausgehend vom Abendland, weltweit durchgesetzt hat.

Dieses Projekt sichert dem Menschen den instrumentellen, erfolgskontrollierten Zugriff auf Natur, auf innere und �ussere. Dieser Zugriff ist zunehmend technikvermittelt, nicht nur in der Beziehung des Menschen zur Natur ausserhalb seiner selbst, sondern auch zu seinesgleichen. Seine Sozialbeziehungen nehmen, je st�rker gesellschaftliche Subsysteme ausdifferentiert werden, um so mehr die Form von Ritualen und unhinterfragten Routinen an. Dieser Prozess wird so weit vorangetrieben, dass zwischenmenschliche Beziehungen, soziale Figurationen schliesslich ganz auf Maschinen �bertragen werden k�nnen. In diesem Zusammenhang lassen sich deshalb auch drei soziale bzw. soziotechnische Figurationen unterscheiden: Beziehungen neben der Technik, Beziehungen mittels der Technik und Beziehungen in Gestalt der Technik. Letztere gewinnen immer st�rker an Bedeutung.

Wenn das Verh�ltnis von Technik und Gesellschaft thematisiert wird, dann oft in folgender Weise: Technik ver�ndert sich und Technik breitet sich immer mehr aus. Die Ver�nderungen in der Technik haben Auswirkungen auf die gesellschaftlichen Verh�ltnisse. Die Aufgabe sozialwissenschaftlicher Besch�ftigung mit Technik ist dann die Absch�tzung von Folgen, die sich aus den Ver�nderungen im Bereich der Technik f�r die gesellschaftlichen Verh�ltnisse ergeben. Daher kann diese Betrachtungsweise ad�quat durch den Terminus "Technikfolgenabsch�tzung" bezeichnet werden.

Kann die Absch�tzung von Folgen mitunter durchaus Hinweise f�r die W�nschbarkeit von Ver�nderungen geben, so sind gegen diese Betrachtungsweise dennoch zwei prinzipielle Einw�nde angebracht: Erstens thematisiert Technikfolgenabsch�tzung das Wirkungsverh�ltnis von Technik und Gesellschaft in einseitiger Weise. Die Technik erscheint als das bewegende Moment, die Gesellschaft muss darauf reagieren. Die Technik entwickelt sich nach einer "Sachgesetzlichkeit", einer schicksalhaft erlebten Eigendynamik, der die Gesellschaft ausgeliefert erscheint. Zweitens sitzt die einseitige Thematisierung einer erkenntnisleitenden Dichotomie auf: Auf der einen Seite die "Sachgesetzlichkeit" der Ver�nderungen im Bereich der Technik, auf der anderen Seite Subjekte, die sich in irgendeiner Weise zu dem Objekten verhalten.

Mit dem Begriff der "technologischen Zivilisation" grenzen wir uns von einem solchen Technikverst�ndnis ab. Zu sagen, dass Gesellschaft technisch vermittelt sei, reicht nicht aus, wenn damit ein bloss �usserliches Verh�ltnis von Technik und Gesellschaft gemeint ist. Mit dem Begriff der Technologischen Zivilisation soll Technik als gesellschaftliches Projekt thematisiert und zugleich ausgedr�ckt werden, dass Technologie heute zunehmend Gesellschaft konstituiert. In diesem Sinne sind Technik und Gesellschaft wechselseitig ineinander enthalten.

Technik erscheint im klassischen technik-soziologischen Ansatz noch in verdinglichter Form, als fertiges Produkt der Ingenieurst�tigkeit. Der Entstehungszusammenhang und die in der Technik enthaltene Gesellschaftlichkeit sind in dieser Betrachtungsweise ausgel�scht. Damit entzieht sich aber der Prozess der Entstehung von Technik der Reflexion, Technik erscheint als Schicksal, Praxis als Vollzug gegebener Sachzw�nge. Die Reflexion dar�ber reduziert sich auf die Verwendung von Technik.

Mit einer solchen Position kann die reale gesellschaftliche Bedeutung von Technik, um die es in der Technik-Soziologie gehen sollte, nicht thematisiert werden. Technik, verstanden lediglich als Objekt, als Ding, ist neutral, ihre politische Dimension reduziert sich auf die Frage des "richtigen" Einsatzes. Technikethik verk�mmert nur allzu leicht zum moralischen Problem individueller Beteiligung: Muss ich als kritischer Wissenschaftler bei bestimmten Projekten meine Mitarbeit verweigern? Die Frage ist bereits Ausdruck einer Verkehrung von Zweck und Mittel in der Technik: Technische Systeme, technische Logiken sind die Akteure, die sich der Menschen als Mittel bedienen. Die technische Logik schickt sich an, traditionelle Instanzen wie Markt und Geld, die die Integration gesellschaftlicher Individuen, (Personen, Unternehmen, Institutionen, Interessengruppen etc) leisten, immer mehr zu ersetzen. Die Frage, ob ich mitmache, hat die Dominanz der technischen Struktur schon akzeptiert und sucht nur noch einen individuellen Ausweg.

Das gesellschaftstheoretische Defizit liegt darin, dass die gesellschaftliche Totalit�t der Techno-Logik, ihre aktive gesellschaftliche Potenz durch eine an der erkenntnistheoretischen Polarit�t von Subjekt und Objekt orientierten Begrifflichkeit hindurchf�llt. Hier offenbart sich ein ganz grundlegender Mangel im wissenschaftlichen Weltbild, der verhindert, dass die gegenw�rtige technologische Realit�t theoretisch angemessen erfasst werden kann.

Die Aufl�sung des verdinglichten Technikbegriffs w�re die erste Voraussetzung, um die gesellschaftlichen und �konomischen Bewegungen wieder in den Bereich des menschlichen Handelns zur�ckzuholen. Dies kann nicht appellativ geschehen. Verharrt Kritik in der an der Polarit�t von Subjekt und Objekt orientierten Begrifflichkeit, so bleibt sie notwendig "subjektiv" im Sinne vom Willk�rlichkeit, und die "objektive" Sachgesetzlichkeit wird ihre Macht behaupten. Kritik muss versuchen, mit der Logik der Technischen Systeme auch ihre eigene Logik in Frage zu Stellen.

Die Schranken der Polarit�t sind ein Problem, das weit �ber die Technik-Soziologie hinausweist. Die rigide Subjekt-Objekt-Dualit�t ist schon lange zu einer Behinderung auch in anderen Disziplinen geworden, wie zum Beispiel in der theoretischen Physik, den theoretische Biowissenschaften, der Logik und Mathematik oder der Informatik. So sind die Schwierigkeiten der Physik, die damit zusammenh�ngen, dass von Einfluss des Beobachters auf die Beobachtungssituation abstrahiert wird, selbst schon wieder fast klassisch zu nennen, wie zum Beispiel in der Quantenphysik. Ebenfalls steht die klassische Subjekt-Objekt-Differenz hinter der heftigen Kontroverse um die Frage der K�nstlichen Intelligenz: "Kann ein Computer die menschliche Intelligenz erreichen?" Hinter diese Frage steht die Entweder-Oder-Altalternative: Ist der Computer nur ein, wenn auch raffinierter, aber letztlich toter Gegenstand, ein Objekt, oder kann er menschliche Eigenschaften entwickeln. Die Diskussion wird deswegen so heftig gef�hrt, weil - solange man sich an die klassische Logik h�lt - keine Vermittlung m�glich ist. Entweder ist er "ein Rechenknecht, der nur sehr schnell addieren kann", oder ein Subjekt mit Bewusstsein und menschen�hnlichen F�higkeiten. Die schlichte Alternative, dass er weder das eine ist noch das andere, liegt quer zur traditionellen Begrifflichkeit.

F�r die Entwicklung eines Begriffs der technologischen Zivilisation ergibt sich durch die gel�ufige Subjekt-Objekt-Polarit�t folgendes Hauptproblem: Mit dem Begriff sollen Technik als Gesellschaft und Gesellschaft als Technik thematisiert werden. Aber gerade Praxis, als die eben Technik Gesellschaft und Gesellschaft Technik ist, kann innerhalb der Polarit�t von Subjekt und Objekt nicht reflektiert werden. Hier ist entweder etwas Subjekt (Mensch) oder Objekt (Ding), und die Reflexion des Verh�ltnisses selbst bleibt willk�rlich.

Wenn es "Dinge" oder "Sachen" sind, die die Gesellschaft bewegen, dann ist es folgerichtig, politische und �konomische Handlungsalternativen mit Sachzw�ngen zu begrunden. Eine Sache �bt jedoch von sich aus keinen Zwang aus. Die Urspr�nge der "Sachgesetzlichkeiten" und ihrer Entwicklung k�nnen nicht erschlossen werden und erscheinen geheimnisvoll als "Marktm�chte", als "konjunkturtechnischer Fortschritt" etc. Der zuk�nftige Verlauf kann dann nur von Wirtschafts- oder Technologieexperten prognostiziert werden, schicksalhaft wie beim Wetterbericht.

Die Subjekt-Objekt-Dualit�t (damit zusammenh�ngend die Dualit�t von Geist und Materie, von Leben und Tod oder Denken und Sein) ist konstitutiv f�r unser abendl�ndischen Denken und unsere Wissenschaft. Um Subjektivit�t reflektieren zu k�nnen, die quer zu den einzelnen Subjekten (Menschen) und den Objekten (Dingen) liegt, muss die gesamte logische Grundlage des abendl�ndischen Denkens in Frage gestellt werden.

Die Macht, die die klassische Theorie auf die Zukunft aus�bt, auf ihre Gestaltung, hat die Illusion der totalen Machbarkeit der Welt gen�hrt. Die Theorie erscheint als ein Werkzeug, dessen sich das Subjekt bedienen kann, so wie wir uns des Atlasses und der Berechnungsmodelle f�r Geschwindigkeit bedienen, um unsere Abfahrtszeit nach Hamburg festzulegen. In einem Werkzeugsverh�ltnis ist eine klare hierarchische Beziehung enthalten. Das Subjekt handelt und bedient sich dabei des Werkzeugs als Objekt, das sich seinem Willen f�gt. Das Werkzeug erscheint hierbei als passiv und neutral. Ob mit dem Werkzeug "Gutes" oder "Schlechtes" verrichtet wird, h�ngt allein vom Subjekt ab. Betrachtet man ein isoliertes Verh�ltnis, ein individuelles Subjekt und sein Werkzeug, jemand, der einen Hammer benutzt, um einen Nagel einzuschlagen, oder einen Atlas und eine Formel, um seine Reise zu planen, so mag dies weitgehend zutreffen. In gesellschaftlichen Dimensionen betrachtet, ist dieses Verh�ltnis eine Illusion. Hier ist l�ngst nicht mehr eindeutig, wer Subjekt ist, wer Objekt.

Die Verkehrung der Subjekt-Objekt-Beziehung, die in unseren gesellschaftlichen Verh�ltnissen sichtbar geworden ist, die Verselbst�ndigung der von den Menschen geschaffenen Strukturen ihnen selbst gegen�ber, ist bereits in der dualistischen abendl�ndischen Denkweise angelegt. Das Subjekt, das sich aus der Objektwelt abhebt, sich dem Sein als Ganzem gegen�berstellt, ist von bemerkenswerter Ambivalenz:
Einerseits ist die Distanz zur Welt die Voraussetzung f�r Operationalit�t. Kennzeichnend hierf�r ist das Verh�ltnis des Schachspielers zu seinem Schachfiguren, seinen Objekten und Werkzeugen. Im gedanklichen Probehandeln, im Akt des Planens, werden die Elemente und Relationen wie Schachfiguren hin und her geschoben, um die optimale L�sung zu finden; sie sind in dieser Situation passive Objekte. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um Menschen handelt. Auch diese werden unvermeidlich zu Objekten des kalkulierenden Subjekts. Diese Disposition hat den Menschen freigesetzt aus religi�sen und traditionalen Bindungen, personifiziert in der Gestalt des freien, autonomen b�rgerlichen Individuums. In seiner Autonomie liegt ein St�ckchen g�ttlicher Allmacht, von der dann auch rege Gebrauch macht wurde. Die Welt wurde neu entworfen und gestaltet.

Andererseits hat sich das Subjekt durch seine Distanzierung von der Welt selbst aus seinen Theorien wie aus der selbstgeschaffenen Realit�t verbannt. Die eigene praktische T�tigkeit ist in dieser Theorie daher der Reflexion nicht mehr zug�nglich. Die selbstgeschaffenen Strukturen k�nnen ungest�rt ihre Eigendynamiken entfalten. Die menschlichen Individuen haben auf den Selbstlauf der �konomischen und politischen Entscheidungsprozesse so gut wie keinen Einfluss mehr. Im Gegenteil, es sind die Menschen, die sich der gesellschaftlichen Entwicklungsdynamik nur noch anzupassen haben. Diese zweite Seite, die individuelle Machtlosigkeit, ist ebenfalls bereits in der Subjekt-Objekt-Dualit�t enthalten. Diese Position, in der sich das Subjekt zu seiner Umwelt befindet, ist eine Setzung, eine logische Position, denn in der Realit�t bleibt das Subjekt immer mit der Umwelt verbunden, ist existentiell von ihr abh�ngig.

In der zweiwertigen Logik kann es keine andere Wahrheit geben, als die des Objektiven. Das Subjekt verleugnet sich und seine T�tigkeit, konzentriert sich darauf, jede Subjektivit�t aus dem Erkenntnisprozess herauszuhalten, um das objektive Sein so getreu wie m�glich abzubilden. Das Subjekt wird zum Nichts, zur blossen Negation; alles Wissen, alle Wahrheit kommt von aussen.

Aufgrund der Blindheit gegen�ber dem aktiven und konstruktiven Part des Subjekts kann die Konstruktion von "Natur"-Gesetzen nicht anders denn als Erkenntnis objektiver Tatbest�nde begriffen werden. Das Subjekt braucht und kann die eigene Praxis nicht reflektieren, es ist somit auch nicht verantwortlich f�r die Folgen seines Tuns. Derjenige, der die Wahrheit feststellt, ist f�r die Wahrheit nicht verantwortlich, ist nur �bermittler und nicht Urheber, somit selbst eher Objekt als Subjekt. Wissenschaftliche T�tigkeit kann in diesem Verst�ndnis nicht als Produktionsprozess begriffen werden. In den Produkten ihrer T�tigkeit ist der Prozess ihrer Entstehung ausgel�scht. M�glich ist allenfalls eine Metareflexion, nicht aber eine Reflexion, die als Reflexionsprozess unmittelbar in den Prozess der Enstehung eingreift. Ebenso bleibt im verdinglichten Technikverst�ndnis unsichtbar, dass in der Technik, in der formalen Logik oder in den formalen Systemen des Umgangs der Menschen miteinander, in den gesellschaftlichen Institutionen etc, der Mensch sich selbst begegnet, seiner eigenen Subjektivit�t, nicht seiner individuellen, aber seiner gesellschaftlichen.

Wenn in der von Subjekten produzierten Theorie die Subjektivit�t nicht mehr sichtbar ist, ger�t diese Theorie zur "absoluten Wahrheit". Die Theorie verbirgt ihre eigene Enstehung. Dadurch erscheinen ihre Ergebnisse als wertfrei und neutral, nicht als Resultate zielgerichteter Konstruktion, sondern als blosses Abbild des Gegebenen. Und das Gegeben, das Sein - abstrahiert man vom Standpunkt des jeweils betrachtenden Subjekts - kann nur eins sein, das Objektive. Dieses ist f�r alle Einzelsubjekte gleich. Es gibt nur eine Wahrheit und die gilt absolut.

Die Dualit�t von Subjekt und Objekt gebietet, dass etwas Subjekt ist oder Objekt, ohne irgendeine M�glichkeit der Vermittlung dazwischen. Darum kann in dieser Logik auch nicht unterschieden werden zwischen einem vorgefundenen Objekt und anderen Objekten, die ihr Dasein menschlicher T�tigkeit verdanken. Ein Gedicht, ein Bild, Gedanken, Institutionen oder logische Strukturen sind logisch gesehen in gleicher Weise Objekte wie ein Stein. Der subjektive Anteil eines Produktes ist nicht mehr fassbar.

Eine solche Theorie ist blind gegen die Geschichte, gegen ihr Gewordensein; sie kann sich nicht selbst reflektieren. Eine Karte wird zum Beispiel angesehen als Abbild der wesentlichen Eigenschaften einer Region, und wir k�nnen sie zum Beispiel benutzen, um eine Entfernung zu ermitteln. Es kommt dabei aber nicht mehr in den Sinn, zu fragen, warum Kategorien wie Entfernung die wesentlichen Eigenschaften einer Landschaft seien, es sind vielleicht nur wesentliche Eigenschaften f�r uns und unsere strategischen Planungen. Hier erscheint der Alltagsgebrauch des Wortes "wesentlich" reflektierter als der Begriff des "Wesens", wie er in der Philosophie auftaucht. Im Wort "wesentlich" schwingt immer die Frage mit: Wesentlich f�r wen oder f�r was? Das "Wesen" jedoch ist absolut. Es kann nur eine Wahrheit f�r jedes denkende Wesen verbindliche Wahrheit geben. Die Wissenschaften stellen nach diesem Denkansatz Theorien und Modelle und formale Strukturen zur Verf�gung, die neutral die Wirklichkeit abbilden. Jedem Subjekt steht es frei, sich dieses Instrumentariums zu bedienen, wie man sich zum Beispiel einer Karte bedienen kann, um eine Reise zu planen, um einen Lebensmittelkonvoi nach St. Petersburg oder Raketen nach Nordenham zu transportieren.

Durch die so konzipierte Dualit�t von Subjekt und Objekt werden zwei Bereiche gesellschaftlicher Wirklichkeit ausgegrenzt: M�gen die Theorien und Modelle sowie die Wirklichkeit, die sie produzieren, homogen sein, die Bed�rfnisse, Interessen, Absichten und das Wollen der sich zu ihnen verhaltenden Subjekte sind es sicher nicht. Diese Unterschiede k�nnen in der klassischen Theorie weder abgebildet noch vermittelt werden; die Theorie gilt absolut, und sie ist hierarchisch. Der objektiven und damit allgemein verbindlichen Welt kann auch nur ein einheitliches Subjekt gegen�berstehen. Dieses steht ausserhalb des theoretischen Zusammenhangs und kann daher in der Theorie nur als eigenschaftslos auftauchen, als Leerstelle. Innerhalb der Theorie k�nnen die �usserungen von Subjektivit�t nur als St�rfaktoren begriffen werden. Subjektivit�t ist das Gegenteil der Objektivit�t, ist ihre &on-Standardegation.&enspIm wissenschaftlichen Erkenntnisprozess ist die Subjektivit�t weitm�glichst herauszuhalten, um das objektive Sein so getreu wie m�glich abzubilden.

Der zweite Bereich, der ausgeklammert wird, ist der Bereich der gesellschaftlichen Integration der Einzelsubjekte. Hier kommt ebenfalls aufgrund der Subjekt-Objekt -Dualit�t zu einer folgenreichen begrifflichen Verwechslung. Die Abstraktion vom Prozess der Konstruktion der Theorie und von den Motiven der Konstrukteure bewirkt keine "subjektivit�tsfreie" Theorie, sondern lediglich eine Abstraktion von individueller Subjektivit�t. Die Theorie wird intersubjektiv. Intersubjektivit�t und Objektivit�t werden umstandslos gleichgesetzt. Tats�chlich k�nnen Theorien als menschliche Produkte ihre Subjektivit�t nicht verleugnen, auch wenn sie aufgrund der Eigenschaft der Operationalisierbarkeit objektive Form annehmen. Allerdings objektiviert sich kein individuelles Subjekt, sondern ein gesellschaftlicher, historisches. Die Abstraktion von individueller Subjektivit�t schafft Strukturen, die intersubjektiv sind, das heisst f�r alle Subjekte verbindlich. Sie stellt einen wichtigen Schritt zur gesellschaftlichen Integration dar, wie sie f�r die b�rgerliche Gesellschaft typisch geworden ist.

Die Abstraktion von Inhaltlichkeit, Zuf�lligkeit und Besonderheit schafft Strukturen mit den Eigenschaften der Eindeutigkeit und Universalit�t. Strukturen auf dieser Basis sind notwendige Instanzen der gesellschaftlichen Synthese. In den gegenw�rtigen Gesellschaften - mit st�ndig wachsenden Bev�lkerungszahlen, dem immer komplexer werdenden Vernetzungszusammenh�ngen auf der einen Seite, dem Abbau naturw�chsig entstandener Zusammenh�nge der Familien, des Dorfes, der Regionen etc. auf der anderen Seite - wird die Bedeutung formaler Vermittlungszusammenh�nge immer gr�sser. F�r die Vermittlung und Integration der Subeinheiten einer Weltgesellschaft ist der universelle Charakter der Integrationsinstanzen unabdingbar. Die formale Logik beschreibt Verbindlichkeiten, die f�r jedes Mitglied der Gesellschaft, der diesen Formen der Rationalit�t und Abstraktion bewusst oder unbewusst folgt.

Die letzten Jahrzehnte dieses Jahrhunderts sind gekennzeichnet durch das rasche Anwachsen der gesellschaftlichen Integrationssysteme, die auf Logik und auf Technik basieren. Die �berkommenen gesellschaftstheoretischen Entw�rfe verlieren zunehmend an Aussagekraft. Dieser sehr grundlegende gesellschaftliche Wandel wurde verdeckt durch die vordergr�ndig im Mittelpunkt stehende "Markt" oder "Plan", "Kapitalismus" oder "Sozialismus". Der Aufl�schungsprozess der "realsozialistischen" Staaten erscheint als Sieg der Marktwirtschaft. Tats�chlich ist jedoch die gesellschaftsstiftende Funktion des Marktes in den "marktwirtschaftlich" verfassten Gesellschaften zunehmend und unaufhaltsam zur�ckgedr�ngt worden. Andere Formen gesellschaftlicher Synthese gewinnen an Bedeutung. Zentral ist hierbei die gesellschaftliche Rolle der Techno-Logie.

Die Technik, die Logik, die beide, zunehmend vermittelt �ber Technologie, Gesellschaft integrieren. lassen kein sichtbares Subjekt der Integration mehr zu. Sie kommen in der Form von Sachzw�ngen daher. Gesellschaftliche Subjektivit�t wandelt sich in eine Vielzahl von Partikularinteressen, die miteinander konkurrieren. Eine Vermittlung solcher begrenzten Sicht- und Interessenlagen ist zwar auf technisch-logischer Basis m�glich, stellt jedoch alles andere dar als eine allgemeine Vernunft, eine Verantwortung f�r das Ganze.

Der Staat als nationale Repr�sentanz allgemeiner Interessen und, in immer st�rkeren Masse, �berstaatliche Instanzen wie die UNO, die EU stehen heute vor der schier unl�sbaren Aufgabe, wie gesellschaftliche Syntheseleistungen bei zunehmender gesellschaftlicher Differenzierung politisch durchgef�hrt und legitimiert werden sollen. Naturw�chsige Formen gesellschaftlicher Integration wie der Markt, politisch als Laissez-faire-Prinzip formuliert, reichen offensichtlich nicht mehr aus. Andererseits lassen sich Regulierungen in Form politischer Planvorgaben nicht legitimieren, schon allein deshalb nicht, weil ihre Effizienz h�chst umstritten ist. Die funktionelle Ausdifferenzierung sozialer Subsysteme f�hrt in ein Dilemma: Die technologische Machbarkeit gesellschaftlicher Zukunftsentw�rfe erh�ht die Notwendigkeit politischer Steuerung. Sie wird aber zugleich verhindert durch deren zunehmende Selbstreferenz, die zugleich die Basis f�r ihre Effizienz ist. Die durch Mehrfachdifferenzierungen hervorgerufenen �berschneidungen, wie sie f�r entwickelte Gesellschaften charakteristisch sind, f�hren zu Widerspruchen, die mit dem Werkzeug der klassischen Entweder-Oder-Logik nicht bearbeitbar sind. Traditionelle Unterordnungsbeziehungen im Verh�ltnis der Subsysteme zueinander verlieren an Bedeutung. Neuere Steuerungstechniken, die der ver�nderten Situation gerecht werden, sind aber noch nicht in Sicht.

Das verdinglichte Verst�ndnis von Technik und gesellschaftlichen Strukturen ist notwendiger Ausdruck des klassischen naturwissenschaftlichen Weltbildes. Dieser Sachverhalt ist nicht erst heute erkannt und kritisiert worden. Bereits der Deutsche Idealismus, insbesondere Hegel, hat die Dualit�t des Denkens durch eine dialektische Logik thematisiert. Wenn Marx die spezifisch b�rgerliche Form gesellschaftlich wirkender Subjektivit�t im Kapitalismus analysieren kann, dann vor dem Hintergrund der Hegelschen Kritik am klassischen Weltbild. Aber so grossartig der Hegelsche Entwurf auch war und soweit seiner Zeit voraus, durchgesetzt hat sich zun�chst die traditionelle, auf Polarit�ten beruhende, zweiwertige Logik. Sie muss, so steht zu vermuten, etwas bieten, das die Hegelsche Dialektik nicht vermag. Das, was die klassische Logik von der Hegelschen Dialektik unterscheidet und worin ihre Macht und Bedeutung begr�ndet liegt, ist die Tatsache, dass es sich um eine operationale Theorie handelt. Die praktische Bedeutung dieser operationalen Eigenschaften liegt wiederum in ihrer F�higkeit, Technik hervorbringen zu k�nnen.


Previous     Index     To top     Next


<[email protected]>